Papier: 02.03.03.03.03.02 Haftung des IT-Herstellers (Teil 2)

Originalversion

1 I.3.3.3.3.3.1 Öffentlich-rechtliche Regelung der
2 Produktsicherheit nach dem Produktsicherheitsgesetz
3
4 Neben die zivilrechtliche Haftung des IT-Herstellers als
5 Steuerungsinstrument der (IT-)Produktsicherheit treten
6 zahlreiche öffentlich-rechtliche Normen. Neben einzelnen
7 Spezialgesetzen wie dem Gesetz über Medizinprodukte
8 (Medizinproduktegesetz, MPG)[FN: Gesetz über Medizinprodukte
9 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl.
10 I S. 3146), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes
11 vom 8. November 2011 (BGBl. I S. 2178).] erscheint
12 insbesondere das kürzlich mit Wirkung zum 1. Dezember 2011
13 erlassene Produktsicherheitsgesetz[FN: Gesetz über die
14 Bereitstellung von Produkten auf dem Markt
15 (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG) vom 8. November 2011
16 (BGBl. I S. 2178).] relevant. Dieses ersetzt künftig das
17 bisherige Geräte- und Produktsicherheitsgesetz[FN: Gesetz
18 über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte vom 6.
19 Januar 2004 (BGBl. I S. 2, 219), zuletzt geändert durch
20 Artikel 2 des Gesetzes vom 7. März 2011 (BGBl. I S. 338).]
21 (GPSG). Durch den zukünftig zu erwartenden Anstieg der
22 Verwendung von Embedded Software, beispielsweise im
23 Automobilbereich, werden schließlich auch im
24 Verbraucherbereich Personenschäden denkbar, weshalb dem
25 Produktsicherheitsgesetz zukünftig eine gesteigerte
26 Bedeutung zukommen dürfte.
27 Zentraler Aspekt des das Produktsicherheitsrecht prägenden
28 „New Approach“[FN: Hierzu eingehend: Klindt, Der „new
29 approach” im Produktrecht des europäischen Binnenmarkts:
30 Vermutungswirkung technischer Normung, EuZW 2002, 133;
31 Kapoor/Klindt, „New Legislative Framework“ im
32 EU-Produktsicherheitsrecht – Neue Marktüberwachung in
33 Europa?, EuZW 2008, 649.] ist die Beschränkung des
34 Eingreifens des Staates auf das nötige Mindestmaß, um der
35 Industrie größtmöglichen Spielraum zu geben. Die in diesem
36 Rahmen besonders hervorzuhebende Verordnung (EG) 765/2008
37 hat in Deutschland auch Änderungen im materiellen
38 Produktsicherheitsrecht angestoßen, die sich nun im neuen
39 Produktsicherheitsgesetz niederschlagen.
40
41 Ein Produkt darf gemäß § 3 Absatz 1 und 2 ProdSG nur dann
42 „auf dem Markt bereitgestellt werden“, wenn es „bei
43 bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die
44 Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet“.
45 Produkte im Sinne des Gesetzes sind gemäß § 2 Nummer 22
46 ProdSG „Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen
47 Fertigungsprozess hergestellt worden sind“. § 3 Absatz 3 bis
48 5 ProdSG statuieren für bestimmte Konstellationen
49 zusätzliche Hinweispflichten beziehungsweise die Pflicht,
50 dem Produkt Gebrauchsanweisungen beizufügen. § 6 ProdSG
51 enthält wiederum diverse zusätzliche Vorgaben in Bezug auf
52 die Bereitstellung von Verbraucherprodukten. Dies sind gemäß
53 § 2 Nummer 26 ProdSG „neue, gebrauchte oder
54 wiederaufgearbeitete Produkte, die für Verbraucher bestimmt
55 sind oder unter Bedingungen, die nach vernünftigem Ermessen
56 vorhersehbar sind, von Verbrauchern benutzt werden könnten,
57 selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind“ oder
58 Produkte, „die dem Verbraucher im Rahmen einer
59 Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden“. Die
60 Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften obliegt gemäß
61 § 24 Absatz 1 Satz 1 ProdSG den nach Landesrecht zuständigen
62 Behörden. Diese können gemäß § 26 Absatz 2 Satz 1 ProdSG die
63 erforderlichen Maßnahmen treffen und sich dabei insbesondere
64 der in § 26 Absatz 2 Satz 2 ProdSG aufgeführten
65 Standardmaßnahmen bedienen.
66
67 Adressaten der spezifischen Regelungen des § 6 ProdSG zu
68 Verbraucherprodukten sind ausschließlich der Hersteller, der
69 von diesem für bestimmten Aufgaben Beauftragte
70 (Bevollmächtigter im Sinne von § 2 Nummer 6 ProdSG) sowie
71 der Importeur. Wie sich aus § 27 Absatz 1 Satz 1 ProdSG
72 ergibt, richtet sich die Generalklausel des § 3 Absatz 1 und
73 2 ProdSG hingegen an alle Wirtschaftsakteure im Sinne von §
74 2 Nummer 29 ProdSG, das heißt zusätzlich auch an den Händler
75 von Produkten.
76
77 Inwieweit IT-Produkte, das heißt Hardware und Software,
78 unter das Produktsicherheitsgesetz fallen, ist insofern
79 nicht abschließend zu beantworten, als mit der Ablösung des
80 Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes durch das
81 Produktsicherheitsgesetz auch der maßgebliche Begriff des
82 „Produkts“ (zumindest im Wortlaut der Legaldefinition) eine
83 Änderung erfahren hat. Waren im Geräte- und
84 Produktsicherheitsgesetzes mit Produkten noch „technische
85 Arbeitsmittel“ und „Verbraucherprodukte“ gemeint, definiert
86 § 2 Nummer 22 ProdSG den Begriff nun als „Waren, Stoffe oder
87 Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt
88 worden sind“. Der Gesetzesbegründung zufolge soll diese
89 Änderung jedoch nur der Klarstellung dienen und sich aus ihr
90 keine inhaltliche Änderung ergeben.[FN: BR-Drs. 314/11, S.
91 74.] Sämtliche verkörperten Gegenstände, die durch einen
92 Fertigungsprozess hergestellt worden sind, damit auch
93 Hardware, lassen sich unter den Produktbegriff fassen.
94 Außerdem lässt sich der Datenträger unter den Produktbegriff
95 des § 2 Nummer 22 ProdSG subsumieren, auf dem Software
96 gegebenenfalls gespeichert ist.[FN: Hoeren/Ernstschneider,
97 Das neue Geräte- und Produktsicherheitsgesetz und seine
98 Anwendung auf die IT-Branche, MMR 2004, 507, 508; Wilrich,
99 Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2004, § 2 GPSG
100 Rn. 10.] Es lässt sich zudem differenzieren zwischen
101 Embedded Software, das heißt solcher, die in ein Endprodukt
102 integriert ist und Steuerungsfunktionen erfüllt, und
103 Software, die sich selbstständig nutzen lässt.
104
105 Embedded Software nimmt aufgrund ihrer Steuerungsfunktion
106 und Integrierung in das jeweilige Endprodukt an dessen
107 Produkteigenschaft ohne Weiteres teil, da sie als fester
108 Bestandteil dessen anzusehen ist.[FN: Runte/Potinecke,
109 Software und GPSG, CR 2004, 725, 726; Zscherpe/Lutz, Geräte-
110 und Produktsicherheitsgesetz: Anwendbarkeit auf Hard- und
111 Software, K&R 2005, 499, 500.] Für selbstständige Software
112 wurde in der Literatur zum Geräte- und
113 Produktsicherheitsgesetz zum Teil vertreten, dass diese
114 zumindest dann dem Produktbegriff unterfällt, wenn sie auf
115 einem Datenträger gespeichert und somit verkörpert ist.[FN:
116 Hoeren/Ernstschneider, Das neue Geräte- und
117 Produktsicherheitsgesetz und seine Anwendung auf die
118 IT-Branche, MMR 2004, 507, 508; Zscherpe/Lutz, Geräte- und
119 Produktsicherheitsgesetz: Anwendbarkeit auf Hard- und
120 Software, K&R 2005, 499, 500; offen lassend Wilrich, Geräte-
121 und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2004, § 2 GPSG Rn. 10.]
122 Die wohl herrschende Meinung stellt hingegen – vergleichbar
123 der ähnlichen Problematik im Produkthaftungsgesetz [FN: Oben
124 Abschnitt II.3.3.3.3, dort Absatz: Außervertragliche,
125 verschuldensunabhängige Haftung nach dem
126 Produkthaftungsgesetz.] – auf Sinn und Zweck der Regelung
127 ab, der darin besteht, Verbraucher und Arbeitnehmer vor
128 Gesundheitsschäden durch nicht hinreichend sichere
129 Konsumgüter zu schützen. Daran gemessen ist auch
130 selbstständige Software unter den Produktbegriff des § 2
131 Nummer 22 ProdSG zu fassen, soweit sie „gefährlich“ sein
132 kann, unabhängig von der Art der Speicherung oder
133 Übertragung.[FN: Zur Lage nach dem GPSG: Runte/Potinecke,
134 Software und GPSG, CR 2004, 725, 727; Zscherpe/Lutz, Geräte-
135 und Produktsicherheitsgesetz: Anwendbarkeit auf Hard- und
136 Software, K&R 2005, 499, 500; Klindt, Geräte- und
137 Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2007, § 2 GPSG Rn. 13.]
138 Soweit der Anwendungsbereich des Produktsicherheitsgesetzes
139 für IT-Produkte in sachlicher Hinsicht eröffnet ist, ist
140 aufgrund des genannten Schutzzwecks dennoch wiederum eine
141 Einschränkung der Verantwortlichkeit zu beachten. Gemäß § 3
142 Absatz 1 und 2 ProdSG wird nur die „Sicherheit und
143 Gesundheit von Personen“ geschützt. Nicht erfasst werden
144 daher bloße Eigentums- und Vermögensschäden.[FN: Zur Lage
145 nach dem GPSG: Wilrich, Geräte- und Produktsicherheitsgesetz
146 (GPSG), 2004, Einleitung Rn. 6.] Der Schutzbereich kann
147 allenfalls durch Rechtsverordnungen nach § 8 Absatz 1 ProdSG
148 auch auf andere Rechtsgüter erweitert werden.[FN: Zur
149 entsprechenden Regelung im GPSG: Wilrich, Geräte- und
150 Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2004, Einleitung Rn. 6, § 3
151 GPSG Rn. 3.] Durch diese Einschränkung ist der gerade im
152 IT-Bereich praktisch relevante Bereich der Eigentums- und
153 Vermögensschäden grundsätzlich vom Schutz des
154 Produktsicherheitsgesetzes ausgenommen. Standardsoftware für
155 Verbraucher wird in der Regel gerade keine Personenschäden
156 verursachen. Solche dürften stattdessen eher im
157 Arbeitsbereich auftreten, wenn Maschinen aufgrund von
158 Softwarefehlern oder Sicherheitslücken Personen schädigen.
159 Dies wird sich jedoch, wie eingangs bereits angemerkt, durch
160 den zu erwartenden Anstieg von Embedded Software
161 voraussichtlich ändern.beispielsweise
162
163
164 I.3.3.3.3.3.2 Zusammenfassung Haftung des IT-Herstellers
165 Im vorangegangenen Abschnitt wurden Fragen der Haftung von
166 IT-Herstellern dargestellt. Trotz der Vielzahl der
167 Anspruchsgrundlagen kann es im Einzelfall möglich sein, dass
168 eine Haftung durch den IT-Hersteller nicht vorliegt. Im
169 Rahmen der vertraglichen Haftung sind die Grenzen möglicher
170 Konstruktionen durch das Verbraucherschutz- und
171 AGB(Allgmeine Geschäftsbedinungen)-Recht gezogen. Eine
172 direkte Haftung der Hersteller gegenüber dem Kunden wird
173 jedoch nicht immer gegeben sein. Häufig wird der Endnutzer
174 sein Softwareprodukt auch von einem Händler erwerben.
175
176 Die vertraglichen Pflichten bestehen dann gegenüber diesem.
177 Im Bereich der deliktischen Haftung sind noch einige
178 juristische Fragen ungeklärt. Zum einen ist der
179 Anwendungsbereich verschiedenster Anspruchsgrundlagen für
180 Daten umstritten, insbesondere in den Fällen, in denen keine
181 Speicherung und somit auch keine Verkörperung erfolgt. Dies
182 wirft auch Fragen hinsichtlich der Haftung im Bereich des
183 Cloud Computing auf.
184
185 Weiter sind die Hersteller von IT-Produkten nur in
186 beschränktem Maße verpflichtet, die Nutzerinnen und Nutzer
187 gegen Angriffe Dritter auf die IT zu schützen. Sie haben
188 sich, wie jeder andere Hersteller, im Rahmen der
189 deliktischen Produzentenhaftung und des
190 Produkthaftungsgesetzes zu halten. Eine darüber
191 hinausgehende Verpflichtung lässt sich nicht herleiten.
192
193 Der Anwendungsbereich des Produktsicherheitsgesetzes ist in
194 Bezug auf IT-Produkte unproblematisch für Hardware und
195 zumindest weitestgehend für Software eröffnet. Allerdings
196 schützt das Produktsicherheitsgesetzes grundsätzlich nur vor
197 Personenschäden, nicht hingegen Eigentums- und
198 Vermögensschäden.

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 I.3.3.3.3.3.1 Öffentlich-rechtliche Regelung der
2 Produktsicherheit nach dem Produktsicherheitsgesetz
3
4 Neben die zivilrechtliche Haftung des IT-Herstellers als
5 Steuerungsinstrument der (IT-)Produktsicherheit treten
6 zahlreiche öffentlich-rechtliche Normen. Neben einzelnen
7 Spezialgesetzen wie dem Gesetz über Medizinprodukte
8 (Medizinproduktegesetz, MPG)[FN: Gesetz über Medizinprodukte
9 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl.
10 I S. 3146), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes
11 vom 8. November 2011 (BGBl. I S. 2178).] erscheint
12 insbesondere das kürzlich mit Wirkung zum 1. Dezember 2011
13 erlassene Produktsicherheitsgesetz[FN: Gesetz über die
14 Bereitstellung von Produkten auf dem Markt
15 (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG) vom 8. November 2011
16 (BGBl. I S. 2178).] relevant. Dieses ersetzt künftig das
17 bisherige Geräte- und Produktsicherheitsgesetz[FN: Gesetz
18 über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte vom 6.
19 Januar 2004 (BGBl. I S. 2, 219), zuletzt geändert durch
20 Artikel 2 des Gesetzes vom 7. März 2011 (BGBl. I S. 338).]
21 (GPSG). Durch den zukünftig zu erwartenden Anstieg der
22 Verwendung von Embedded Software, beispielsweise im
23 Automobilbereich, werden schließlich auch im
24 Verbraucherbereich Personenschäden denkbar, weshalb dem
25 Produktsicherheitsgesetz zukünftig eine gesteigerte
26 Bedeutung zukommen dürfte.
27 Zentraler Aspekt des das Produktsicherheitsrecht prägenden
28 „New Approach“[FN: Hierzu eingehend: Klindt, Der „new
29 approach” im Produktrecht des europäischen Binnenmarkts:
30 Vermutungswirkung technischer Normung, EuZW 2002, 133;
31 Kapoor/Klindt, „New Legislative Framework“ im
32 EU-Produktsicherheitsrecht – Neue Marktüberwachung in
33 Europa?, EuZW 2008, 649.] ist die Beschränkung des
34 Eingreifens des Staates auf das nötige Mindestmaß, um der
35 Industrie größtmöglichen Spielraum zu geben. Die in diesem
36 Rahmen besonders hervorzuhebende Verordnung (EG) 765/2008
37 hat in Deutschland auch Änderungen im materiellen
38 Produktsicherheitsrecht angestoßen, die sich nun im neuen
39 Produktsicherheitsgesetz niederschlagen.
40
41 Ein Produkt darf gemäß § 3 Absatz 1 und 2 ProdSG nur dann
42 „auf dem Markt bereitgestellt werden“, wenn es „bei
43 bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die
44 Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet“.
45 Produkte im Sinne des Gesetzes sind gemäß § 2 Nummer 22
46 ProdSG „Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen
47 Fertigungsprozess hergestellt worden sind“. § 3 Absatz 3 bis
48 5 ProdSG statuieren für bestimmte Konstellationen
49 zusätzliche Hinweispflichten beziehungsweise die Pflicht,
50 dem Produkt Gebrauchsanweisungen beizufügen. § 6 ProdSG
51 enthält wiederum diverse zusätzliche Vorgaben in Bezug auf
52 die Bereitstellung von Verbraucherprodukten. Dies sind gemäß
53 § 2 Nummer 26 ProdSG „neue, gebrauchte oder
54 wiederaufgearbeitete Produkte, die für Verbraucher bestimmt
55 sind oder unter Bedingungen, die nach vernünftigem Ermessen
56 vorhersehbar sind, von Verbrauchern benutzt werden könnten,
57 selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind“ oder
58 Produkte, „die dem Verbraucher im Rahmen einer
59 Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden“. Die
60 Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften obliegt gemäß
61 § 24 Absatz 1 Satz 1 ProdSG den nach Landesrecht zuständigen
62 Behörden. Diese können gemäß § 26 Absatz 2 Satz 1 ProdSG die
63 erforderlichen Maßnahmen treffen und sich dabei insbesondere
64 der in § 26 Absatz 2 Satz 2 ProdSG aufgeführten
65 Standardmaßnahmen bedienen.
66
67 Adressaten der spezifischen Regelungen des § 6 ProdSG zu
68 Verbraucherprodukten sind ausschließlich der Hersteller, der
69 von diesem für bestimmten Aufgaben Beauftragte
70 (Bevollmächtigter im Sinne von § 2 Nummer 6 ProdSG) sowie
71 der Importeur. Wie sich aus § 27 Absatz 1 Satz 1 ProdSG
72 ergibt, richtet sich die Generalklausel des § 3 Absatz 1 und
73 2 ProdSG hingegen an alle Wirtschaftsakteure im Sinne von §
74 2 Nummer 29 ProdSG, das heißt zusätzlich auch an den Händler
75 von Produkten.
76
77 Inwieweit IT-Produkte, das heißt Hardware und Software,
78 unter das Produktsicherheitsgesetz fallen, ist insofern
79 nicht abschließend zu beantworten, als mit der Ablösung des
80 Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes durch das
81 Produktsicherheitsgesetz auch der maßgebliche Begriff des
82 „Produkts“ (zumindest im Wortlaut der Legaldefinition) eine
83 Änderung erfahren hat. Waren im Geräte- und
84 Produktsicherheitsgesetzes mit Produkten noch „technische
85 Arbeitsmittel“ und „Verbraucherprodukte“ gemeint, definiert
86 § 2 Nummer 22 ProdSG den Begriff nun als „Waren, Stoffe oder
87 Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt
88 worden sind“. Der Gesetzesbegründung zufolge soll diese
89 Änderung jedoch nur der Klarstellung dienen und sich aus ihr
90 keine inhaltliche Änderung ergeben.[FN: BR-Drs. 314/11, S.
91 74.] Sämtliche verkörperten Gegenstände, die durch einen
92 Fertigungsprozess hergestellt worden sind, damit auch
93 Hardware, lassen sich unter den Produktbegriff fassen.
94 Außerdem lässt sich der Datenträger unter den Produktbegriff
95 des § 2 Nummer 22 ProdSG subsumieren, auf dem Software
96 gegebenenfalls gespeichert ist.[FN: Hoeren/Ernstschneider,
97 Das neue Geräte- und Produktsicherheitsgesetz und seine
98 Anwendung auf die IT-Branche, MMR 2004, 507, 508; Wilrich,
99 Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2004, § 2 GPSG
100 Rn. 10.] Es lässt sich zudem differenzieren zwischen
101 Embedded Software, das heißt solcher, die in ein Endprodukt
102 integriert ist und Steuerungsfunktionen erfüllt, und
103 Software, die sich selbstständig nutzen lässt.
104
105 Embedded Software nimmt aufgrund ihrer Steuerungsfunktion
106 und Integrierung in das jeweilige Endprodukt an dessen
107 Produkteigenschaft ohne Weiteres teil, da sie als fester
108 Bestandteil dessen anzusehen ist.[FN: Runte/Potinecke,
109 Software und GPSG, CR 2004, 725, 726; Zscherpe/Lutz, Geräte-
110 und Produktsicherheitsgesetz: Anwendbarkeit auf Hard- und
111 Software, K&R 2005, 499, 500.] Für selbstständige Software
112 wurde in der Literatur zum Geräte- und
113 Produktsicherheitsgesetz zum Teil vertreten, dass diese
114 zumindest dann dem Produktbegriff unterfällt, wenn sie auf
115 einem Datenträger gespeichert und somit verkörpert ist.[FN:
116 Hoeren/Ernstschneider, Das neue Geräte- und
117 Produktsicherheitsgesetz und seine Anwendung auf die
118 IT-Branche, MMR 2004, 507, 508; Zscherpe/Lutz, Geräte- und
119 Produktsicherheitsgesetz: Anwendbarkeit auf Hard- und
120 Software, K&R 2005, 499, 500; offen lassend Wilrich, Geräte-
121 und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2004, § 2 GPSG Rn. 10.]
122 Die wohl herrschende Meinung stellt hingegen – vergleichbar
123 der ähnlichen Problematik im Produkthaftungsgesetz [FN: Oben
124 Abschnitt II.3.3.3.3, dort Absatz: Außervertragliche,
125 verschuldensunabhängige Haftung nach dem
126 Produkthaftungsgesetz.] – auf Sinn und Zweck der Regelung
127 ab, der darin besteht, Verbraucher und Arbeitnehmer vor
128 Gesundheitsschäden durch nicht hinreichend sichere
129 Konsumgüter zu schützen. Daran gemessen ist auch
130 selbstständige Software unter den Produktbegriff des § 2
131 Nummer 22 ProdSG zu fassen, soweit sie „gefährlich“ sein
132 kann, unabhängig von der Art der Speicherung oder
133 Übertragung.[FN: Zur Lage nach dem GPSG: Runte/Potinecke,
134 Software und GPSG, CR 2004, 725, 727; Zscherpe/Lutz, Geräte-
135 und Produktsicherheitsgesetz: Anwendbarkeit auf Hard- und
136 Software, K&R 2005, 499, 500; Klindt, Geräte- und
137 Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2007, § 2 GPSG Rn. 13.]
138 Soweit der Anwendungsbereich des Produktsicherheitsgesetzes
139 für IT-Produkte in sachlicher Hinsicht eröffnet ist, ist
140 aufgrund des genannten Schutzzwecks dennoch wiederum eine
141 Einschränkung der Verantwortlichkeit zu beachten. Gemäß § 3
142 Absatz 1 und 2 ProdSG wird nur die „Sicherheit und
143 Gesundheit von Personen“ geschützt. Nicht erfasst werden
144 daher bloße Eigentums- und Vermögensschäden.[FN: Zur Lage
145 nach dem GPSG: Wilrich, Geräte- und Produktsicherheitsgesetz
146 (GPSG), 2004, Einleitung Rn. 6.] Der Schutzbereich kann
147 allenfalls durch Rechtsverordnungen nach § 8 Absatz 1 ProdSG
148 auch auf andere Rechtsgüter erweitert werden.[FN: Zur
149 entsprechenden Regelung im GPSG: Wilrich, Geräte- und
150 Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2004, Einleitung Rn. 6, § 3
151 GPSG Rn. 3.] Durch diese Einschränkung ist der gerade im
152 IT-Bereich praktisch relevante Bereich der Eigentums- und
153 Vermögensschäden grundsätzlich vom Schutz des
154 Produktsicherheitsgesetzes ausgenommen. Standardsoftware für
155 Verbraucher wird in der Regel gerade keine Personenschäden
156 verursachen. Solche dürften stattdessen eher im
157 Arbeitsbereich auftreten, wenn Maschinen aufgrund von
158 Softwarefehlern oder Sicherheitslücken Personen schädigen.
159 Dies wird sich jedoch, wie eingangs bereits angemerkt, durch
160 den zu erwartenden Anstieg von Embedded Software
161 voraussichtlich ändern.beispielsweise
162
163
164 I.3.3.3.3.3.2 Zusammenfassung Haftung des IT-Herstellers
165 Im vorangegangenen Abschnitt wurden Fragen der Haftung von
166 IT-Herstellern dargestellt. Trotz der Vielzahl der
167 Anspruchsgrundlagen kann es im Einzelfall möglich sein, dass
168 eine Haftung durch den IT-Hersteller nicht vorliegt. Im
169 Rahmen der vertraglichen Haftung sind die Grenzen möglicher
170 Konstruktionen durch das Verbraucherschutz- und
171 AGB(Allgmeine Geschäftsbedinungen)-Recht gezogen. Eine
172 direkte Haftung der Hersteller gegenüber dem Kunden wird
173 jedoch nicht immer gegeben sein. Häufig wird der Endnutzer
174 sein Softwareprodukt auch von einem Händler erwerben.
175
176 Die vertraglichen Pflichten bestehen dann gegenüber diesem.
177 Im Bereich der deliktischen Haftung sind noch einige
178 juristische Fragen ungeklärt. Zum einen ist der
179 Anwendungsbereich verschiedenster Anspruchsgrundlagen für
180 Daten umstritten, insbesondere in den Fällen, in denen keine
181 Speicherung und somit auch keine Verkörperung erfolgt. Dies
182 wirft auch Fragen hinsichtlich der Haftung im Bereich des
183 Cloud Computing auf.
184
185 Weiter sind die Hersteller von IT-Produkten nur in
186 beschränktem Maße verpflichtet, die Nutzerinnen und Nutzer
187 gegen Angriffe Dritter auf die IT zu schützen. Sie haben
188 sich, wie jeder andere Hersteller, im Rahmen der
189 deliktischen Produzentenhaftung und des
190 Produkthaftungsgesetzes zu halten. Eine darüber
191 hinausgehende Verpflichtung lässt sich nicht herleiten.
192
193 Der Anwendungsbereich des Produktsicherheitsgesetzes ist in
194 Bezug auf IT-Produkte unproblematisch für Hardware und
195 zumindest weitestgehend für Software eröffnet. Allerdings
196 schützt das Produktsicherheitsgesetzes grundsätzlich nur vor
197 Personenschäden, nicht hingegen Eigentums- und
198 Vermögensschäden.

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