02.03.03.03.03.02 Haftung des IT-Herstellers (Teil 2)

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    von EnqueteSekretariat, angelegt
    1 I.3.3.3.3.3.1 Öffentlich-rechtliche Regelung der
    2 Produktsicherheit nach dem Produktsicherheitsgesetz
    3
    4 Neben die zivilrechtliche Haftung des IT-Herstellers als
    5 Steuerungsinstrument der (IT-)Produktsicherheit treten
    6 zahlreiche öffentlich-rechtliche Normen. Neben einzelnen
    7 Spezialgesetzen wie dem Gesetz über Medizinprodukte
    8 (Medizinproduktegesetz, MPG)[FN: Gesetz über Medizinprodukte
    9 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl.
    10 I S. 3146), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes
    11 vom 8. November 2011 (BGBl. I S. 2178).] erscheint
    12 insbesondere das kürzlich mit Wirkung zum 1. Dezember 2011
    13 erlassene Produktsicherheitsgesetz[FN: Gesetz über die
    14 Bereitstellung von Produkten auf dem Markt
    15 (Produktsicherheitsgesetz – ProdSG) vom 8. November 2011
    16 (BGBl. I S. 2178).] relevant. Dieses ersetzt künftig das
    17 bisherige Geräte- und Produktsicherheitsgesetz[FN: Gesetz
    18 über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte vom 6.
    19 Januar 2004 (BGBl. I S. 2, 219), zuletzt geändert durch
    20 Artikel 2 des Gesetzes vom 7. März 2011 (BGBl. I S. 338).]
    21 (GPSG). Durch den zukünftig zu erwartenden Anstieg der
    22 Verwendung von Embedded Software, beispielsweise im
    23 Automobilbereich, werden schließlich auch im
    24 Verbraucherbereich Personenschäden denkbar, weshalb dem
    25 Produktsicherheitsgesetz zukünftig eine gesteigerte
    26 Bedeutung zukommen dürfte.
    27 Zentraler Aspekt des das Produktsicherheitsrecht prägenden
    28 „New Approach“[FN: Hierzu eingehend: Klindt, Der „new
    29 approach” im Produktrecht des europäischen Binnenmarkts:
    30 Vermutungswirkung technischer Normung, EuZW 2002, 133;
    31 Kapoor/Klindt, „New Legislative Framework“ im
    32 EU-Produktsicherheitsrecht – Neue Marktüberwachung in
    33 Europa?, EuZW 2008, 649.] ist die Beschränkung des
    34 Eingreifens des Staates auf das nötige Mindestmaß, um der
    35 Industrie größtmöglichen Spielraum zu geben. Die in diesem
    36 Rahmen besonders hervorzuhebende Verordnung (EG) 765/2008
    37 hat in Deutschland auch Änderungen im materiellen
    38 Produktsicherheitsrecht angestoßen, die sich nun im neuen
    39 Produktsicherheitsgesetz niederschlagen.
    40
    41 Ein Produkt darf gemäß § 3 Absatz 1 und 2 ProdSG nur dann
    42 „auf dem Markt bereitgestellt werden“, wenn es „bei
    43 bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die
    44 Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet“.
    45 Produkte im Sinne des Gesetzes sind gemäß § 2 Nummer 22
    46 ProdSG „Waren, Stoffe oder Zubereitungen, die durch einen
    47 Fertigungsprozess hergestellt worden sind“. § 3 Absatz 3 bis
    48 5 ProdSG statuieren für bestimmte Konstellationen
    49 zusätzliche Hinweispflichten beziehungsweise die Pflicht,
    50 dem Produkt Gebrauchsanweisungen beizufügen. § 6 ProdSG
    51 enthält wiederum diverse zusätzliche Vorgaben in Bezug auf
    52 die Bereitstellung von Verbraucherprodukten. Dies sind gemäß
    53 § 2 Nummer 26 ProdSG „neue, gebrauchte oder
    54 wiederaufgearbeitete Produkte, die für Verbraucher bestimmt
    55 sind oder unter Bedingungen, die nach vernünftigem Ermessen
    56 vorhersehbar sind, von Verbrauchern benutzt werden könnten,
    57 selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind“ oder
    58 Produkte, „die dem Verbraucher im Rahmen einer
    59 Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden“. Die
    60 Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften obliegt gemäß
    61 § 24 Absatz 1 Satz 1 ProdSG den nach Landesrecht zuständigen
    62 Behörden. Diese können gemäß § 26 Absatz 2 Satz 1 ProdSG die
    63 erforderlichen Maßnahmen treffen und sich dabei insbesondere
    64 der in § 26 Absatz 2 Satz 2 ProdSG aufgeführten
    65 Standardmaßnahmen bedienen.
    66
    67 Adressaten der spezifischen Regelungen des § 6 ProdSG zu
    68 Verbraucherprodukten sind ausschließlich der Hersteller, der
    69 von diesem für bestimmten Aufgaben Beauftragte
    70 (Bevollmächtigter im Sinne von § 2 Nummer 6 ProdSG) sowie
    71 der Importeur. Wie sich aus § 27 Absatz 1 Satz 1 ProdSG
    72 ergibt, richtet sich die Generalklausel des § 3 Absatz 1 und
    73 2 ProdSG hingegen an alle Wirtschaftsakteure im Sinne von §
    74 2 Nummer 29 ProdSG, das heißt zusätzlich auch an den Händler
    75 von Produkten.
    76
    77 Inwieweit IT-Produkte, das heißt Hardware und Software,
    78 unter das Produktsicherheitsgesetz fallen, ist insofern
    79 nicht abschließend zu beantworten, als mit der Ablösung des
    80 Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes durch das
    81 Produktsicherheitsgesetz auch der maßgebliche Begriff des
    82 „Produkts“ (zumindest im Wortlaut der Legaldefinition) eine
    83 Änderung erfahren hat. Waren im Geräte- und
    84 Produktsicherheitsgesetzes mit Produkten noch „technische
    85 Arbeitsmittel“ und „Verbraucherprodukte“ gemeint, definiert
    86 § 2 Nummer 22 ProdSG den Begriff nun als „Waren, Stoffe oder
    87 Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt
    88 worden sind“. Der Gesetzesbegründung zufolge soll diese
    89 Änderung jedoch nur der Klarstellung dienen und sich aus ihr
    90 keine inhaltliche Änderung ergeben.[FN: BR-Drs. 314/11, S.
    91 74.] Sämtliche verkörperten Gegenstände, die durch einen
    92 Fertigungsprozess hergestellt worden sind, damit auch
    93 Hardware, lassen sich unter den Produktbegriff fassen.
    94 Außerdem lässt sich der Datenträger unter den Produktbegriff
    95 des § 2 Nummer 22 ProdSG subsumieren, auf dem Software
    96 gegebenenfalls gespeichert ist.[FN: Hoeren/Ernstschneider,
    97 Das neue Geräte- und Produktsicherheitsgesetz und seine
    98 Anwendung auf die IT-Branche, MMR 2004, 507, 508; Wilrich,
    99 Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2004, § 2 GPSG
    100 Rn. 10.] Es lässt sich zudem differenzieren zwischen
    101 Embedded Software, das heißt solcher, die in ein Endprodukt
    102 integriert ist und Steuerungsfunktionen erfüllt, und
    103 Software, die sich selbstständig nutzen lässt.
    104
    105 Embedded Software nimmt aufgrund ihrer Steuerungsfunktion
    106 und Integrierung in das jeweilige Endprodukt an dessen
    107 Produkteigenschaft ohne Weiteres teil, da sie als fester
    108 Bestandteil dessen anzusehen ist.[FN: Runte/Potinecke,
    109 Software und GPSG, CR 2004, 725, 726; Zscherpe/Lutz, Geräte-
    110 und Produktsicherheitsgesetz: Anwendbarkeit auf Hard- und
    111 Software, K&R 2005, 499, 500.] Für selbstständige Software
    112 wurde in der Literatur zum Geräte- und
    113 Produktsicherheitsgesetz zum Teil vertreten, dass diese
    114 zumindest dann dem Produktbegriff unterfällt, wenn sie auf
    115 einem Datenträger gespeichert und somit verkörpert ist.[FN:
    116 Hoeren/Ernstschneider, Das neue Geräte- und
    117 Produktsicherheitsgesetz und seine Anwendung auf die
    118 IT-Branche, MMR 2004, 507, 508; Zscherpe/Lutz, Geräte- und
    119 Produktsicherheitsgesetz: Anwendbarkeit auf Hard- und
    120 Software, K&R 2005, 499, 500; offen lassend Wilrich, Geräte-
    121 und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2004, § 2 GPSG Rn. 10.]
    122 Die wohl herrschende Meinung stellt hingegen – vergleichbar
    123 der ähnlichen Problematik im Produkthaftungsgesetz [FN: Oben
    124 Abschnitt II.3.3.3.3, dort Absatz: Außervertragliche,
    125 verschuldensunabhängige Haftung nach dem
    126 Produkthaftungsgesetz.] – auf Sinn und Zweck der Regelung
    127 ab, der darin besteht, Verbraucher und Arbeitnehmer vor
    128 Gesundheitsschäden durch nicht hinreichend sichere
    129 Konsumgüter zu schützen. Daran gemessen ist auch
    130 selbstständige Software unter den Produktbegriff des § 2
    131 Nummer 22 ProdSG zu fassen, soweit sie „gefährlich“ sein
    132 kann, unabhängig von der Art der Speicherung oder
    133 Übertragung.[FN: Zur Lage nach dem GPSG: Runte/Potinecke,
    134 Software und GPSG, CR 2004, 725, 727; Zscherpe/Lutz, Geräte-
    135 und Produktsicherheitsgesetz: Anwendbarkeit auf Hard- und
    136 Software, K&R 2005, 499, 500; Klindt, Geräte- und
    137 Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2007, § 2 GPSG Rn. 13.]
    138 Soweit der Anwendungsbereich des Produktsicherheitsgesetzes
    139 für IT-Produkte in sachlicher Hinsicht eröffnet ist, ist
    140 aufgrund des genannten Schutzzwecks dennoch wiederum eine
    141 Einschränkung der Verantwortlichkeit zu beachten. Gemäß § 3
    142 Absatz 1 und 2 ProdSG wird nur die „Sicherheit und
    143 Gesundheit von Personen“ geschützt. Nicht erfasst werden
    144 daher bloße Eigentums- und Vermögensschäden.[FN: Zur Lage
    145 nach dem GPSG: Wilrich, Geräte- und Produktsicherheitsgesetz
    146 (GPSG), 2004, Einleitung Rn. 6.] Der Schutzbereich kann
    147 allenfalls durch Rechtsverordnungen nach § 8 Absatz 1 ProdSG
    148 auch auf andere Rechtsgüter erweitert werden.[FN: Zur
    149 entsprechenden Regelung im GPSG: Wilrich, Geräte- und
    150 Produktsicherheitsgesetz (GPSG), 2004, Einleitung Rn. 6, § 3
    151 GPSG Rn. 3.] Durch diese Einschränkung ist der gerade im
    152 IT-Bereich praktisch relevante Bereich der Eigentums- und
    153 Vermögensschäden grundsätzlich vom Schutz des
    154 Produktsicherheitsgesetzes ausgenommen. Standardsoftware für
    155 Verbraucher wird in der Regel gerade keine Personenschäden
    156 verursachen. Solche dürften stattdessen eher im
    157 Arbeitsbereich auftreten, wenn Maschinen aufgrund von
    158 Softwarefehlern oder Sicherheitslücken Personen schädigen.
    159 Dies wird sich jedoch, wie eingangs bereits angemerkt, durch
    160 den zu erwartenden Anstieg von Embedded Software
    161 voraussichtlich ändern.beispielsweise
    162
    163
    164 I.3.3.3.3.3.2 Zusammenfassung Haftung des IT-Herstellers
    165 Im vorangegangenen Abschnitt wurden Fragen der Haftung von
    166 IT-Herstellern dargestellt. Trotz der Vielzahl der
    167 Anspruchsgrundlagen kann es im Einzelfall möglich sein, dass
    168 eine Haftung durch den IT-Hersteller nicht vorliegt. Im
    169 Rahmen der vertraglichen Haftung sind die Grenzen möglicher
    170 Konstruktionen durch das Verbraucherschutz- und
    171 AGB(Allgmeine Geschäftsbedinungen)-Recht gezogen. Eine
    172 direkte Haftung der Hersteller gegenüber dem Kunden wird
    173 jedoch nicht immer gegeben sein. Häufig wird der Endnutzer
    174 sein Softwareprodukt auch von einem Händler erwerben.
    175
    176 Die vertraglichen Pflichten bestehen dann gegenüber diesem.
    177 Im Bereich der deliktischen Haftung sind noch einige
    178 juristische Fragen ungeklärt. Zum einen ist der
    179 Anwendungsbereich verschiedenster Anspruchsgrundlagen für
    180 Daten umstritten, insbesondere in den Fällen, in denen keine
    181 Speicherung und somit auch keine Verkörperung erfolgt. Dies
    182 wirft auch Fragen hinsichtlich der Haftung im Bereich des
    183 Cloud Computing auf.
    184
    185 Weiter sind die Hersteller von IT-Produkten nur in
    186 beschränktem Maße verpflichtet, die Nutzerinnen und Nutzer
    187 gegen Angriffe Dritter auf die IT zu schützen. Sie haben
    188 sich, wie jeder andere Hersteller, im Rahmen der
    189 deliktischen Produzentenhaftung und des
    190 Produkthaftungsgesetzes zu halten. Eine darüber
    191 hinausgehende Verpflichtung lässt sich nicht herleiten.
    192
    193 Der Anwendungsbereich des Produktsicherheitsgesetzes ist in
    194 Bezug auf IT-Produkte unproblematisch für Hardware und
    195 zumindest weitestgehend für Software eröffnet. Allerdings
    196 schützt das Produktsicherheitsgesetzes grundsätzlich nur vor
    197 Personenschäden, nicht hingegen Eigentums- und
    198 Vermögensschäden.