Papier: 01.03.02 Wettbewerb im Internetzugangsmarkt

Originalversion

1 Wie bereits dargelegt wurde, kommt einem funktionsfähigen
2 Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt eine hohe Bedeutung
3 für die Erreichung verschiedenster Zielsetzungen zu: Neben
4 der Steigerung von Qualität und der Gewährleistung
5 wettbewerbsorientierter Endkundenpreise trägt ein intensiver
6 Wettbewerb insbesondere auch wesentlich zur Schaffung eines
7 flächendeckenden Zugangs zum Internet bei. Nichtsdestotrotz
8 gibt es Gebiete, in denen bisher noch kein breitbandiger
9 Internetzugang zur Verfügung steht. Durch die Vorgabe bei
10 der Frequenzzuteilung, bisher unterversorgte Gebiete zuerst
11 mit Mobilfunk der 4ten Generation zu versorgen, konnte dies
12 aber teilweise kompensiert werden.
13
14 Dies gilt gleichermaßen für den Wettbewerb der
15 Infrastrukturen untereinander als auch für den Wettbewerb
16 der über eine einzelne Infrastruktur realisierten Dienste.
17 Letzterer erlangt dort besondere Bedeutung, wo aus
18 ökonomischen Gründen der parallele Aufbau mehrerer
19 Infrastrukturen wirtschaftlich nicht möglich ist. Gerade
20 beim Ausbau von Ultra-Breitband sind oft derart hohe
21 Investitionen notwendig, dass ein Ausbau nur unter Nutzung
22 von Synergien zwischen den Infrastrukturbetreibern sinnvoll
23 erscheint. Für eine hinreichende Auslastung einer neu
24 errichteten Netzinfrastruktur als Voraussetzung für deren
25 Amortisierung sind häufig Penetrationsraten notwendig, die
26 im Falle einer weiteren, ebenso leistungsfähigen
27 Konkurrenzinfrastruktur nur schwer zu erreichen sind. Um
28 unter diesen Gegebenheiten einen funktionsfähigen Wettbewerb
29 zu ermöglichen, ist es zwingend notwendig, die Realisierung
30 von im Wettbewerb stehenden Diensten durch verschiedene
31 Diensteanbieter auf der Infrastruktur zu ermöglichen.
32
33 Die Anbieterstruktur hat sich seit Mitte der 1990er Jahre
34 stark verändert: Damals war sie geprägt durch viele kleine
35 lokale Anbieter, die aber keine eigene Leitungsinfrastruktur
36 betrieben. Die Einwahl ins Internet erfolgte über das
37 normale Telefonnetz; die verfügbaren Modems modulierten die
38 Datenübertragung mit Tönen im hörbaren Bereich. Die letzte
39 Meile bis zum Endkunden wurde also in der Regel über die
40 normale Telefonleitung des ehemaligen Monopolisten
41 betrieben. Mit dem Einsatz neuer Technologien wie DSL und
42 dem Einstieg bundesweiter Internetzugansanbieter änderte
43 sich dies: Der harte Wettbewerb und niedrige Gewinnmargen im
44 Endkundengeschäft sorgten dafür, dass viele kleine Anbieter
45 nicht mehr mithalten konnten und nun nur noch spezielle
46 Nischen bedienen oder ganz verschwunden sind. Der Markt wird
47 im Wesentlichen von sieben Providern[FN: Vgl.dazu die
48 Ausführungen unter:
49 http://www.onlinekosten.de/breitband/breitbandkunden]
50 beherrscht, wobei die Telekom als Ex-Monopolist auf rund 50
51 Prozent Marktanteil kommt. Im Gegensatz zu den 1990er Jahren
52 herrscht in gut ausgebauten Gebieten allerdings ein
53 Wettbewerb auf der letzten Meile sowie verschiedener
54 Infrastrukturen. Die für Endkunden sichtbarste Folge der
55 Veränderungen sind insgesamt drastisch gefallene Kosten.
56
57
58 I.2.2.3 Wettbewerb verschiedener Infrastrukturen
59 Die dargestellte technische Entwicklung erlaubt in
60 städtischen Gebieten zunehmend auch einen intensiven
61 Wettbewerb verschiedener Infrastrukturen, die alle eine
62 nachfragegerechte Breitbandversorgung ermöglichen. Dies
63 schließt in jedem Fall die oft parallel ausgebauten
64 Festnetztechnologien Kupfer- und TV-Kabel, zunehmend auch
65 Glasfaserkabel, ein. Hinzu tritt die dank neuer
66 Mobilfunkgenerationen immer leistungsfähiger werdende
67 Mobilfunkversorgung, die mit LTE sogar zu einer validen
68 Alternative zu einem Festnetzanschluss wird.
69
70 Diese heterogene Infrastruktur aus regionalen, teilweise
71 auch lokalen Glasfaser- und glasfaserbasierten
72 TV-Kabelnetzen sowie den Mobilfunknetzen wird die Markt- und
73 Wettbewerbslandschaft künftig genauso prägen wie die
74 Vielschichtigkeit der Marktteilnehmer. Neben klassischen
75 Telekommunikationsunternehmen und reinen
76 Dienstleistungsanbietern beteiligen sich zunehmend zum
77 Beispiel auch Stadtwerke und Energieversorgungsunternehmen
78 mit einer Vielzahl unterschiedlicher Kooperations- und
79 Risikoteilungsmodellen am Aufbau und Betrieb aktiver und
80 passiver Infrastrukturen. Trotz der mit Kooperationen
81 erzielbaren Synergieeffekte und Wirtschaftlichkeitsvorteile
82 ist ein paralleler Aufbau mehrerer Hochgeschwindigkeitsnetze
83 mit Blick auf den hohen Fixkostenanteil gerade in dünn
84 besiedelten Regionen ökonomisch häufig aber nicht sinnvoll.
85 Deshalb bedarf es neben dem Infrastrukturwettbewerb vor
86 allem in diesen Bereichen des zusätzlichen Wettbewerbs auf
87 der Ebene der über diese Infrastrukturen realisierten
88 Telekommunikations- und Telemediendienste.
89 Insbesondere beim künftigen Glasfaserausbau zeigt die
90 bereits zitierte WIK-Studie für das NGA-Forum der
91 Bundesnetzagentur, dass ein wirtschaftlicher Ausbau oft erst
92 bei Penetrationsraten von mindestens 60 Prozent möglich ist
93 und Kooperationen beim Aufbau und Betrieb daher von
94 zentraler Bedeutung sind.[FN: Vgl. Präsentation des WIK:
95 Implikationen eines flächendeckenden Glasfaserausbaus und
96 sein Subventionsbedarf – Zusammenfassung der Ergebnisse
97 eines Forschungsprojektes. 2011, S. 32ff. Online abrufbar
98 unter:
99 http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNet
100 zA/Sachgebiete/Telekommunikation/Regulierung/NGAForum/15teSi
101 tzung/NGAForum201109_WIKStudieFolien.pdf?__blob=publicationF
102 ile]
103
104 Um für die Endkunden trotz der gegebenenfalls vorhandenen
105 Dominanz einer einzelnen kabelgebundenen
106 Glasfaserinfrastruktur in der betreffenden Region ein
107 umfassendes und vielfältiges Diensteangebot mit möglichst
108 gleichgearteten Leistungsmerkmalen sicherstellen zu können,
109 stehen grundsätzlich freiwillige oder regulierte Open
110 Access-Zugangmodelle auf Vorleistungsebene zur Wahl. Unter
111 Open Access wird ein Konzept zum Zugang zu
112 Vorleistungsprodukten eines Infrastrukturinhabers
113 verstanden.[FN: Hinweis: Der Begriff Open Access wird auch
114 im Kontext mit Wissenschaft und Forschung verwandt. Dort
115 bezeichnet er die für Nutzer kostenfreie und öffentlich
116 zugängliche Bereitstellung wissenschaftlicher Publikationen
117 und Daten im Internet. Siehe hierzu den Bericht der
118 Projektgruppe Bildung und Forschung (BT-Drucksache 17/XXXX).
119 Online abrufbar unter: www….] Freiwillige Zugangsmodelle
120 basieren auf den Prinzipien der Freiwilligkeit, Transparenz
121 und Diskriminierungsfreiheit und setzen zunächst auf
122 freiwillige Angebote, Kooperationen und Verhandlungslösungen
123 der Marktteilnehmer selbst. Regulierte Zugangsmodelle
124 basieren demgegenüber auf regulatorischen
125 Vorabverpflichtungen, mit denen diskriminierungsfreie
126 Zugangs- und Nutzungsbedingungen für alle Marktteilnehmer
127 durch die nationalen Regulierungsbehörden ex ante geschaffen
128 werden. Beide Modelle zielen in unterschiedlichem Maße
129 darauf ab, dass Provider und Diensteanbieter ohne eigene
130 Infrastruktur vor Ort den Endkunden weiterhin attraktive
131 Angebote unterbreiten können, die Auslastung und Effizienz
132 der errichteten Netze erhöht wird und der Wettbewerb
133 aufrechterhalten bleibt.
134 Beim Glasfaserausbau wird angesichts der bereits erwähnten
135 hohen Investitionskosten eine zusätzliche Komplexität
136 entstehen. Anders als bei der Errichtung des
137 Kupferkabelnetzes durch den damaligen Staatsmonopolisten
138 gibt es beim Aufbau eines bundesweit flächendeckenden
139 Glasfasernetzes nicht mehr nur einen zentralen Akteur. Wie
140 bereits ausgeführt, werden häufig lokal und regional
141 eigenständige Unternehmen den Ausbau vorantreiben, oft dabei
142 auch Unternehmen aus anderen Branchen, etwa
143 Energieunternehmen oder Stadtwerke. Beim Aufbau und Betrieb
144 dieser Breitbandinfrastrukturen wird der Gewährleistung von
145 Interoperabilität eine essentielle Bedeutung zukommen. Die
146 steigende Anzahl lokaler Breitbandnetze erfordert die
147 technische Standardisierung von Schnittstellen und
148 Prozessen, um den Netzzugang zu ermöglichen. Eine zu große
149 Vielfalt von Schnittstellen und Prozeduren wird nicht mehr
150 praktikabel sein. Deshalb ist eine bundesweite Definition
151 standardisierter Schnittstellen und Prozesse von erheblicher
152 Bedeutung, um Zugang zu und damit einen intensiven
153 Wettbewerb bei den auf der Infrastruktur realisierten
154 Diensten zu erreichen.[FN: Das Thema Interoperabilität wird
155 in der Projektgruppe Interoperabilität, Standards, Freie
156 Software behandelt.]
157
158
159 I.2.2.4 Fortdauernde Bedeutung des Dienstewettbewerbs
160 innerhalb einer Infrastruktur
161 Im Rahmen der Liberalisierung des Telekommunikationssektors
162 hat der Dienstewettbewerb, das heißt bei Verwendung
163 zumindest teilweise derselben Infrastruktur, einen
164 wesentlichen Beitrag zur Entstehung eines intensiven
165 Wettbewerbs geleistet. Deutschland steht hier – gerade auch
166 dank der entsprechenden regulatorischen Vorgaben – im
167 internationalen Vergleich mit einem grundsätzlich guten
168 Wettbewerbsergebnis dar[FN: So ist etwa im internationalen
169 Vergleich des OECD Communications Outlook 2011 der
170 Marktanteil von neuen Marktteilnehmern im Wettbewerb („New
171 entrants“) an den Festnetzanschlüssen für Deutschland im
172 Jahr 2009 mit 33 Prozent ausgewiesen und hat damit im
173 europäischen Vergleich einen der höchsten Werte. Vgl.OECD
174 Communications Outlook 2011, S. 57. Online abrufbar unter:
175 www.oecd.org/sti/telecom/outlook. Der Anteil hat sich
176 seitdem in Deutschland weiter erhöht (38 Prozent im Jahr
177 2011 nach dem Tätigkeitsbericht Telekommunikation 2010/11
178 der Bundesnetzagentur, S. 31 ff. Online abrufbar unter
179 http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNet
180 zA/Presse/Berichte/2011/TaetigkeitsberichtTK20102011pdf.pdf?
181 __blob=publicationFile. Hinzu kommt ein steigender
182 Wettbewerbsabteil der Kabelanbieter. Unverändert verfügt
183 aber der Incumbent Deutsche Telekom in relevanten Märkten
184 über erhebliche Marktmacht im Sinne der
185 EU-TK-Marktregulierung.]. In der Betrachtung der Bedeutung
186 des Dienstewettbewerbs ist daher zwischen Auf- oder auch
187 Ausbau der Netzinfrastruktur auf der einen und Betrieb von
188 Netzinfrastruktur auf der anderen Seite zu unterscheiden.
189 Während es beim Auf- und Ausbau um die Schaffung von
190 Infrastruktuwettbewerb geht, gilt beim Betrieb , dass hier
191 auch ein reiner Dienstewettbewerb seine eigenständige
192 Relevanz zur Sicherung vielfältiger und attraktiver Angebote
193 für den Endkunden auch bei sich entwickelndem
194 Infrastrukturwettbewerb behält.
195
196 Von besonderer Bedeutung ist der Dienstewettbewerb
197 insbesondere dort, wo aus wirtschaftlichen Gründen eine
198 Dopplung von Infrastrukturen nicht zu erwarten ist. Hier
199 kommt einem funktionierenden Dienstewettbewerb auf einer
200 einheitlichen Infrastruktur eine zentrale Rolle zu. Beim
201 gemeinsamen Aufbau und Betrieb von
202 Telekommunikationsinfrastrukturen haben die Gewährleistung
203 von Interoperabilität, die Förderung von Investitionen und
204 Innovationen sowie die Sicherung von Wettbewerb und
205 Wahlfreiheit der Endverbraucher im Mittelpunkt zu stehen.
206 Künftig werden Unternehmen den Zugang zu Netzen Dritter
207 nachfragen, um ein möglichst flächendeckendes Produktangebot
208 zu erreichen, denn viele Marktakteure werden auch künftig
209 Produkte bundesweit anbieten wollen und aus wirtschaftlicher
210 Sicht sogar müssen.
211 Der Zugang zu Netzen Dritter sichert so einen
212 diskriminierungsfreien Wettbewerb und sorgt damit für
213 Angebote, die es den Endkunden ermöglichen, frei zwischen
214 möglichst unterschiedlichen Produkten, Qualitäten, Preisen
215 und Anbietern zu entscheiden.
216
217 An dieser Stelle kommt der Entwicklung von Marktlösungen in
218 Form von freiwilligen oder regulierten Kooperationsmodellen
219 eine zentrale Bedeutung zu – das Stichwort lautet Open
220 Access beim Netzzugang. Dort, wo sich und soweit sich
221 Infrastrukturinhaber und Nachfrager unter Beachtung der
222 Prinzipien Freiwilligkeit, Transparenz und
223 Diskriminierungsfreiheit auf Leistungsspezifika und Preise
224 für einen Zugang einigen, kann freiwilliges Open Access auch
225 als marktgerechte und wettbewerbsfördernde Alternative zur
226 herkömmlichen Regulierung angesehen werden. Das freiwillige
227 Open Access-Konzept ist jedoch keinesfalls mit symmetrischer
228 Regulierung gleichzusetzen oder zu verwechseln. Im Fall der
229 Nichteinigung auf kommerzieller Basis können regulatorische
230 Instrumente zur Anwendung kommen, wie zum Beispiel die
231 Anordnung von Zugangsansprüchen oder eine Entgeltregulierung
232 im Rahmen der entsprechenden rechtlich-regulatorischen
233 Voraussetzungen, etwa nach den Regelungen und Verfahren des
234 Telekommunikationsgesetzes (TKG).
235
236 Zwar ist im Telekommunikationsgesetz die Regulierung einer
237 marktbeherrschenden Stellung der wesentliche Ansatz. Darüber
238 hinaus ist es nach den neuen EU-Richtlinien, insbesondere
239 nach Artikel 12 der Rahmenrichtlinie, aber auch möglich,
240 Unternehmen beziehungsweise Eigentumsrechteinhabern
241 symmetrische Regulierungsverpflichtungen aufzuerlegen.
242 „Die nationale Regulierungsbehörde kann demnach unter
243 Beachtung der Verhältnismäßigkeit die gemeinsame Nutzung
244 [vorhandener Infrastruktur] vorschreiben, wozu unter anderem
245 Gebäude, Gebäudezugänge, Verkabelungen in Gebäuden, Masten,
246 Antennen, Türme oder andere Trägerstrukturen, Leitungsrohre,
247 Leerrohre, Einstiegsschächte und Verteilerkästen
248 gehören.“[FN: Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur
249 und Kommunikationsdienste (WIK): Symmetrische Regulierung:
250 Möglichkeiten und Grenzen im neuen EU-Rechtsrahmen. Autoren:
251 Lorenz Nett, Ulrich Stumpf. Bad Honnef, Februar 2011. S.
252 III.] In anderen europäischen Ländern (zum Beispiel
253 Frankreich oder Portugal) haben die nationalen
254 Regulierungsbehörden bereits entsprechende
255 Zugangsverpflichtungen für die Inhaus-Verkabelung erlassen,
256 welche als Engpass bzw. notwendige Voraussetzung betrachtet
257 wird. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Instituts für
258 Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) vom Februar
259 2011 schlägt entsprechende Maßnahmen auch für Deutschland
260 vor. Exklusivvereinbarungen mit Kabelnetzbetreibern halten
261 die Autoren hingegen für „regulierungsökonomisch
262 problematisch“.[FN: Wissenschaftliches Institut für
263 Infrastruktur und Kommunikationsdienste: Symmetrische
264 Regulierung: Möglichkeiten und Grenzen im neuen
265 EU-Rechtsrahmen. Autoren: Lorenz Nett, Ulrich Stumpf. Bad
266 Honnef, Februar 2011. Zitat S. 27.]
267
268
269 I.2.2.5 Auswirkung zunehmender Verbreitung integrierter
270 Geschäftsmodelle
271 Schon heute ist zu beobachten, dass viele
272 Telekommunikationsanbieter neben den reinen
273 Transportleistungen und der Sprachtelefoniefunktion auch
274 weiterführende Dienste, etwa Fernsehen/Video im Paket
275 anbieten (Triple-Play/Quadruple-Play[FN: Triple-Play ist ein
276 Begriff des Marketing und bezeichnet die Bündelung von drei
277 Diensten (TV, Internet und Telefonie) in einem Angebot. Beim
278 Quardruple-Play ist zusätzlich die Mobilkommunikation
279 enthalten.]). Es ist anzunehmen, dass diese Entwicklung auch
280 in Zukunft weiter voranschreiten wird, da eine
281 Refinanzierung der immer leistungsfähigeren
282 Internetzugangsdienste erleichtert wird, wenn zusätzliche
283 Erlöse über weitere Dienste erzielt werden können. Zugleich
284 steigt die Zahlungsbereitschaft der Kunden, wenn sie den
285 Mehrwert einer höheren Leistungsbereitschaft der Anschlüsse
286 durch leistungsfähigere Dienste erkennen. Die Bereitstellung
287 verschiedener Dienste aus einer Hand ist dabei keine
288 Notwendigkeit, aber ein von den Kunden besonders gern
289 akzeptiertes Modell, da dieses Klarheit über den
290 Ansprechpartner, eine vereinfachte Abrechnung und technisch
291 voll integrierte Gesamtangebote erlaubt.
292
293 Den Vorteilen von integrierten Geschäftsmodellen für den
294 Endkunden stehen aber auch potenzielle Bedrohungen für den
295 Wettbewerb sowie die Wahrung der Netzneutralität gegenüber.
296 Dies gilt etwa für den theoretischen Fall, dass ein
297 Netzbetreiber seine eigenen Dienste beim Zugang zu
298 Vorleistungen/Infrastrukturleistungen bevorzugen würde.[FN:
299 Dies würde zudem einen Verstoß gegen das in der zuständigen
300 Projektgruppe und im Rahmen des nationalen IT-Gipfels
301 erarbeitete Verständnis von Netzneutralität darstellen. Vgl.
302 hierzu den vierten Zwischenbericht der Enquete-Kommission
303 Internet und digitale Gesellschaft – Netzneutralität,
304 Bundestagsdrucksache 17/8536. Online abrufbar unter:
305 http://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Zwisch
306 enberichte/Zwischenbericht_Netzneutralitaet_1708536.pdf
307 sowie Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
308 (BMWi): Netzneutralität – 11 Thesen für eine
309 gesellschaftspolitische Diskussion. 2010. S. 2, These 10.
310 Online abrufbar unter:
311 http://www.it-gipfel.de/Dateien/BMWi/PDF/IT-Gipfel/it-gipfel
312 -2010-netzneutralitaet,property=pdf,bereich=itgipfel,sprache
313 =de,rwb=true.pdf] Auch aus einer bevorzugten Positionierung
314 oder gesonderten Verkaufsförderung eigener beziehungsweise
315 verbundener Dienste im Rahmen von Orientierungshilfen im
316 Netz (zum Beispiel Suchmaschinen, Benutzeroberflächen, App
317 Stores, Elektronischen Programmführern (Electronic Program
318 Guide – EPG)) können Gefahren für den Wettbewerb erwachsen.
319
320 Gegen solche Missbräuche stehen bereits heute
321 Schutzmechanismen zur Verfügung. Sie reichen von einfachen
322 Nichtdiskriminierungsauflagen oder auch konkreten
323 Zugangsansprüchen über Transparenzpflichten bis hin zu
324 einschneidenden Maßnahmen wie der Untersagung integrierter
325 Geschäftsmodelle oder gar die Aufspaltung entsprechender
326 Unternehmen. Letztere kommen aber nur als Ultima Ratio in
327 Betracht.

Der Text verglichen mit der Originalversion

1 Wie bereits dargelegt wurde, kommt einem funktionsfähigen
2 Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt eine hohe Bedeutung
3 für die Erreichung verschiedenster Zielsetzungen zu: Neben
4 der Steigerung von Qualität und der Gewährleistung
5 wettbewerbsorientierter Endkundenpreise trägt ein intensiver
6 Wettbewerb insbesondere auch wesentlich zur Schaffung eines
7 flächendeckenden Zugangs zum Internet bei. Nichtsdestotrotz
8 gibt es Gebiete, in denen bisher noch kein breitbandiger
9 Internetzugang zur Verfügung steht. Durch die Vorgabe bei
10 der Frequenzzuteilung, bisher unterversorgte Gebiete zuerst
11 mit Mobilfunk der 4ten Generation zu versorgen, konnte dies
12 aber teilweise kompensiert werden.
13
14 Dies gilt gleichermaßen für den Wettbewerb der
15 Infrastrukturen untereinander als auch für den Wettbewerb
16 der über eine einzelne Infrastruktur realisierten Dienste.
17 Letzterer erlangt dort besondere Bedeutung, wo aus
18 ökonomischen Gründen der parallele Aufbau mehrerer
19 Infrastrukturen wirtschaftlich nicht möglich ist. Gerade
20 beim Ausbau von Ultra-Breitband sind oft derart hohe
21 Investitionen notwendig, dass ein Ausbau nur unter Nutzung
22 von Synergien zwischen den Infrastrukturbetreibern sinnvoll
23 erscheint. Für eine hinreichende Auslastung einer neu
24 errichteten Netzinfrastruktur als Voraussetzung für deren
25 Amortisierung sind häufig Penetrationsraten notwendig, die
26 im Falle einer weiteren, ebenso leistungsfähigen
27 Konkurrenzinfrastruktur nur schwer zu erreichen sind. Um
28 unter diesen Gegebenheiten einen funktionsfähigen Wettbewerb
29 zu ermöglichen, ist es zwingend notwendig, die Realisierung
30 von im Wettbewerb stehenden Diensten durch verschiedene
31 Diensteanbieter auf der Infrastruktur zu ermöglichen.
32
33 Die Anbieterstruktur hat sich seit Mitte der 1990er Jahre
34 stark verändert: Damals war sie geprägt durch viele kleine
35 lokale Anbieter, die aber keine eigene Leitungsinfrastruktur
36 betrieben. Die Einwahl ins Internet erfolgte über das
37 normale Telefonnetz; die verfügbaren Modems modulierten die
38 Datenübertragung mit Tönen im hörbaren Bereich. Die letzte
39 Meile bis zum Endkunden wurde also in der Regel über die
40 normale Telefonleitung des ehemaligen Monopolisten
41 betrieben. Mit dem Einsatz neuer Technologien wie DSL und
42 dem Einstieg bundesweiter Internetzugansanbieter änderte
43 sich dies: Der harte Wettbewerb und niedrige Gewinnmargen im
44 Endkundengeschäft sorgten dafür, dass viele kleine Anbieter
45 nicht mehr mithalten konnten und nun nur noch spezielle
46 Nischen bedienen oder ganz verschwunden sind. Der Markt wird
47 im Wesentlichen von sieben Providern[FN: Vgl.dazu die
48 Ausführungen unter:
49 http://www.onlinekosten.de/breitband/breitbandkunden]
50 beherrscht, wobei die Telekom als Ex-Monopolist auf rund 50
51 Prozent Marktanteil kommt. Im Gegensatz zu den 1990er Jahren
52 herrscht in gut ausgebauten Gebieten allerdings ein
53 Wettbewerb auf der letzten Meile sowie verschiedener
54 Infrastrukturen. Die für Endkunden sichtbarste Folge der
55 Veränderungen sind insgesamt drastisch gefallene Kosten.
56
57
58 I.2.2.3 Wettbewerb verschiedener Infrastrukturen
59 Die dargestellte technische Entwicklung erlaubt in
60 städtischen Gebieten zunehmend auch einen intensiven
61 Wettbewerb verschiedener Infrastrukturen, die alle eine
62 nachfragegerechte Breitbandversorgung ermöglichen. Dies
63 schließt in jedem Fall die oft parallel ausgebauten
64 Festnetztechnologien Kupfer- und TV-Kabel, zunehmend auch
65 Glasfaserkabel, ein. Hinzu tritt die dank neuer
66 Mobilfunkgenerationen immer leistungsfähiger werdende
67 Mobilfunkversorgung, die mit LTE sogar zu einer validen
68 Alternative zu einem Festnetzanschluss wird.
69
70 Diese heterogene Infrastruktur aus regionalen, teilweise
71 auch lokalen Glasfaser- und glasfaserbasierten
72 TV-Kabelnetzen sowie den Mobilfunknetzen wird die Markt- und
73 Wettbewerbslandschaft künftig genauso prägen wie die
74 Vielschichtigkeit der Marktteilnehmer. Neben klassischen
75 Telekommunikationsunternehmen und reinen
76 Dienstleistungsanbietern beteiligen sich zunehmend zum
77 Beispiel auch Stadtwerke und Energieversorgungsunternehmen
78 mit einer Vielzahl unterschiedlicher Kooperations- und
79 Risikoteilungsmodellen am Aufbau und Betrieb aktiver und
80 passiver Infrastrukturen. Trotz der mit Kooperationen
81 erzielbaren Synergieeffekte und Wirtschaftlichkeitsvorteile
82 ist ein paralleler Aufbau mehrerer Hochgeschwindigkeitsnetze
83 mit Blick auf den hohen Fixkostenanteil gerade in dünn
84 besiedelten Regionen ökonomisch häufig aber nicht sinnvoll.
85 Deshalb bedarf es neben dem Infrastrukturwettbewerb vor
86 allem in diesen Bereichen des zusätzlichen Wettbewerbs auf
87 der Ebene der über diese Infrastrukturen realisierten
88 Telekommunikations- und Telemediendienste.
89 Insbesondere beim künftigen Glasfaserausbau zeigt die
90 bereits zitierte WIK-Studie für das NGA-Forum der
91 Bundesnetzagentur, dass ein wirtschaftlicher Ausbau oft erst
92 bei Penetrationsraten von mindestens 60 Prozent möglich ist
93 und Kooperationen beim Aufbau und Betrieb daher von
94 zentraler Bedeutung sind.[FN: Vgl. Präsentation des WIK:
95 Implikationen eines flächendeckenden Glasfaserausbaus und
96 sein Subventionsbedarf – Zusammenfassung der Ergebnisse
97 eines Forschungsprojektes. 2011, S. 32ff. Online abrufbar
98 unter:
99 http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNet
100 zA/Sachgebiete/Telekommunikation/Regulierung/NGAForum/15teSi
101 tzung/NGAForum201109_WIKStudieFolien.pdf?__blob=publicationF
102 ile]
103
104 Um für die Endkunden trotz der gegebenenfalls vorhandenen
105 Dominanz einer einzelnen kabelgebundenen
106 Glasfaserinfrastruktur in der betreffenden Region ein
107 umfassendes und vielfältiges Diensteangebot mit möglichst
108 gleichgearteten Leistungsmerkmalen sicherstellen zu können,
109 stehen grundsätzlich freiwillige oder regulierte Open
110 Access-Zugangmodelle auf Vorleistungsebene zur Wahl. Unter
111 Open Access wird ein Konzept zum Zugang zu
112 Vorleistungsprodukten eines Infrastrukturinhabers
113 verstanden.[FN: Hinweis: Der Begriff Open Access wird auch
114 im Kontext mit Wissenschaft und Forschung verwandt. Dort
115 bezeichnet er die für Nutzer kostenfreie und öffentlich
116 zugängliche Bereitstellung wissenschaftlicher Publikationen
117 und Daten im Internet. Siehe hierzu den Bericht der
118 Projektgruppe Bildung und Forschung (BT-Drucksache 17/XXXX).
119 Online abrufbar unter: www….] Freiwillige Zugangsmodelle
120 basieren auf den Prinzipien der Freiwilligkeit, Transparenz
121 und Diskriminierungsfreiheit und setzen zunächst auf
122 freiwillige Angebote, Kooperationen und Verhandlungslösungen
123 der Marktteilnehmer selbst. Regulierte Zugangsmodelle
124 basieren demgegenüber auf regulatorischen
125 Vorabverpflichtungen, mit denen diskriminierungsfreie
126 Zugangs- und Nutzungsbedingungen für alle Marktteilnehmer
127 durch die nationalen Regulierungsbehörden ex ante geschaffen
128 werden. Beide Modelle zielen in unterschiedlichem Maße
129 darauf ab, dass Provider und Diensteanbieter ohne eigene
130 Infrastruktur vor Ort den Endkunden weiterhin attraktive
131 Angebote unterbreiten können, die Auslastung und Effizienz
132 der errichteten Netze erhöht wird und der Wettbewerb
133 aufrechterhalten bleibt.
134 Beim Glasfaserausbau wird angesichts der bereits erwähnten
135 hohen Investitionskosten eine zusätzliche Komplexität
136 entstehen. Anders als bei der Errichtung des
137 Kupferkabelnetzes durch den damaligen Staatsmonopolisten
138 gibt es beim Aufbau eines bundesweit flächendeckenden
139 Glasfasernetzes nicht mehr nur einen zentralen Akteur. Wie
140 bereits ausgeführt, werden häufig lokal und regional
141 eigenständige Unternehmen den Ausbau vorantreiben, oft dabei
142 auch Unternehmen aus anderen Branchen, etwa
143 Energieunternehmen oder Stadtwerke. Beim Aufbau und Betrieb
144 dieser Breitbandinfrastrukturen wird der Gewährleistung von
145 Interoperabilität eine essentielle Bedeutung zukommen. Die
146 steigende Anzahl lokaler Breitbandnetze erfordert die
147 technische Standardisierung von Schnittstellen und
148 Prozessen, um den Netzzugang zu ermöglichen. Eine zu große
149 Vielfalt von Schnittstellen und Prozeduren wird nicht mehr
150 praktikabel sein. Deshalb ist eine bundesweite Definition
151 standardisierter Schnittstellen und Prozesse von erheblicher
152 Bedeutung, um Zugang zu und damit einen intensiven
153 Wettbewerb bei den auf der Infrastruktur realisierten
154 Diensten zu erreichen.[FN: Das Thema Interoperabilität wird
155 in der Projektgruppe Interoperabilität, Standards, Freie
156 Software behandelt.]
157
158
159 I.2.2.4 Fortdauernde Bedeutung des Dienstewettbewerbs
160 innerhalb einer Infrastruktur
161 Im Rahmen der Liberalisierung des Telekommunikationssektors
162 hat der Dienstewettbewerb, das heißt bei Verwendung
163 zumindest teilweise derselben Infrastruktur, einen
164 wesentlichen Beitrag zur Entstehung eines intensiven
165 Wettbewerbs geleistet. Deutschland steht hier – gerade auch
166 dank der entsprechenden regulatorischen Vorgaben – im
167 internationalen Vergleich mit einem grundsätzlich guten
168 Wettbewerbsergebnis dar[FN: So ist etwa im internationalen
169 Vergleich des OECD Communications Outlook 2011 der
170 Marktanteil von neuen Marktteilnehmern im Wettbewerb („New
171 entrants“) an den Festnetzanschlüssen für Deutschland im
172 Jahr 2009 mit 33 Prozent ausgewiesen und hat damit im
173 europäischen Vergleich einen der höchsten Werte. Vgl.OECD
174 Communications Outlook 2011, S. 57. Online abrufbar unter:
175 www.oecd.org/sti/telecom/outlook. Der Anteil hat sich
176 seitdem in Deutschland weiter erhöht (38 Prozent im Jahr
177 2011 nach dem Tätigkeitsbericht Telekommunikation 2010/11
178 der Bundesnetzagentur, S. 31 ff. Online abrufbar unter
179 http://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/BNet
180 zA/Presse/Berichte/2011/TaetigkeitsberichtTK20102011pdf.pdf?
181 __blob=publicationFile. Hinzu kommt ein steigender
182 Wettbewerbsabteil der Kabelanbieter. Unverändert verfügt
183 aber der Incumbent Deutsche Telekom in relevanten Märkten
184 über erhebliche Marktmacht im Sinne der
185 EU-TK-Marktregulierung.]. In der Betrachtung der Bedeutung
186 des Dienstewettbewerbs ist daher zwischen Auf- oder auch
187 Ausbau der Netzinfrastruktur auf der einen und Betrieb von
188 Netzinfrastruktur auf der anderen Seite zu unterscheiden.
189 Während es beim Auf- und Ausbau um die Schaffung von
190 Infrastruktuwettbewerb geht, gilt beim Betrieb , dass hier
191 auch ein reiner Dienstewettbewerb seine eigenständige
192 Relevanz zur Sicherung vielfältiger und attraktiver Angebote
193 für den Endkunden auch bei sich entwickelndem
194 Infrastrukturwettbewerb behält.
195
196 Von besonderer Bedeutung ist der Dienstewettbewerb
197 insbesondere dort, wo aus wirtschaftlichen Gründen eine
198 Dopplung von Infrastrukturen nicht zu erwarten ist. Hier
199 kommt einem funktionierenden Dienstewettbewerb auf einer
200 einheitlichen Infrastruktur eine zentrale Rolle zu. Beim
201 gemeinsamen Aufbau und Betrieb von
202 Telekommunikationsinfrastrukturen haben die Gewährleistung
203 von Interoperabilität, die Förderung von Investitionen und
204 Innovationen sowie die Sicherung von Wettbewerb und
205 Wahlfreiheit der Endverbraucher im Mittelpunkt zu stehen.
206 Künftig werden Unternehmen den Zugang zu Netzen Dritter
207 nachfragen, um ein möglichst flächendeckendes Produktangebot
208 zu erreichen, denn viele Marktakteure werden auch künftig
209 Produkte bundesweit anbieten wollen und aus wirtschaftlicher
210 Sicht sogar müssen.
211 Der Zugang zu Netzen Dritter sichert so einen
212 diskriminierungsfreien Wettbewerb und sorgt damit für
213 Angebote, die es den Endkunden ermöglichen, frei zwischen
214 möglichst unterschiedlichen Produkten, Qualitäten, Preisen
215 und Anbietern zu entscheiden.
216
217 An dieser Stelle kommt der Entwicklung von Marktlösungen in
218 Form von freiwilligen oder regulierten Kooperationsmodellen
219 eine zentrale Bedeutung zu – das Stichwort lautet Open
220 Access beim Netzzugang. Dort, wo sich und soweit sich
221 Infrastrukturinhaber und Nachfrager unter Beachtung der
222 Prinzipien Freiwilligkeit, Transparenz und
223 Diskriminierungsfreiheit auf Leistungsspezifika und Preise
224 für einen Zugang einigen, kann freiwilliges Open Access auch
225 als marktgerechte und wettbewerbsfördernde Alternative zur
226 herkömmlichen Regulierung angesehen werden. Das freiwillige
227 Open Access-Konzept ist jedoch keinesfalls mit symmetrischer
228 Regulierung gleichzusetzen oder zu verwechseln. Im Fall der
229 Nichteinigung auf kommerzieller Basis können regulatorische
230 Instrumente zur Anwendung kommen, wie zum Beispiel die
231 Anordnung von Zugangsansprüchen oder eine Entgeltregulierung
232 im Rahmen der entsprechenden rechtlich-regulatorischen
233 Voraussetzungen, etwa nach den Regelungen und Verfahren des
234 Telekommunikationsgesetzes (TKG).
235
236 Zwar ist im Telekommunikationsgesetz die Regulierung einer
237 marktbeherrschenden Stellung der wesentliche Ansatz. Darüber
238 hinaus ist es nach den neuen EU-Richtlinien, insbesondere
239 nach Artikel 12 der Rahmenrichtlinie, aber auch möglich,
240 Unternehmen beziehungsweise Eigentumsrechteinhabern
241 symmetrische Regulierungsverpflichtungen aufzuerlegen.
242 „Die nationale Regulierungsbehörde kann demnach unter
243 Beachtung der Verhältnismäßigkeit die gemeinsame Nutzung
244 [vorhandener Infrastruktur] vorschreiben, wozu unter anderem
245 Gebäude, Gebäudezugänge, Verkabelungen in Gebäuden, Masten,
246 Antennen, Türme oder andere Trägerstrukturen, Leitungsrohre,
247 Leerrohre, Einstiegsschächte und Verteilerkästen
248 gehören.“[FN: Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur
249 und Kommunikationsdienste (WIK): Symmetrische Regulierung:
250 Möglichkeiten und Grenzen im neuen EU-Rechtsrahmen. Autoren:
251 Lorenz Nett, Ulrich Stumpf. Bad Honnef, Februar 2011. S.
252 III.] In anderen europäischen Ländern (zum Beispiel
253 Frankreich oder Portugal) haben die nationalen
254 Regulierungsbehörden bereits entsprechende
255 Zugangsverpflichtungen für die Inhaus-Verkabelung erlassen,
256 welche als Engpass bzw. notwendige Voraussetzung betrachtet
257 wird. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Instituts für
258 Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) vom Februar
259 2011 schlägt entsprechende Maßnahmen auch für Deutschland
260 vor. Exklusivvereinbarungen mit Kabelnetzbetreibern halten
261 die Autoren hingegen für „regulierungsökonomisch
262 problematisch“.[FN: Wissenschaftliches Institut für
263 Infrastruktur und Kommunikationsdienste: Symmetrische
264 Regulierung: Möglichkeiten und Grenzen im neuen
265 EU-Rechtsrahmen. Autoren: Lorenz Nett, Ulrich Stumpf. Bad
266 Honnef, Februar 2011. Zitat S. 27.]
267
268
269 I.2.2.5 Auswirkung zunehmender Verbreitung integrierter
270 Geschäftsmodelle
271 Schon heute ist zu beobachten, dass viele
272 Telekommunikationsanbieter neben den reinen
273 Transportleistungen und der Sprachtelefoniefunktion auch
274 weiterführende Dienste, etwa Fernsehen/Video im Paket
275 anbieten (Triple-Play/Quadruple-Play[FN: Triple-Play ist ein
276 Begriff des Marketing und bezeichnet die Bündelung von drei
277 Diensten (TV, Internet und Telefonie) in einem Angebot. Beim
278 Quardruple-Play ist zusätzlich die Mobilkommunikation
279 enthalten.]). Es ist anzunehmen, dass diese Entwicklung auch
280 in Zukunft weiter voranschreiten wird, da eine
281 Refinanzierung der immer leistungsfähigeren
282 Internetzugangsdienste erleichtert wird, wenn zusätzliche
283 Erlöse über weitere Dienste erzielt werden können. Zugleich
284 steigt die Zahlungsbereitschaft der Kunden, wenn sie den
285 Mehrwert einer höheren Leistungsbereitschaft der Anschlüsse
286 durch leistungsfähigere Dienste erkennen. Die Bereitstellung
287 verschiedener Dienste aus einer Hand ist dabei keine
288 Notwendigkeit, aber ein von den Kunden besonders gern
289 akzeptiertes Modell, da dieses Klarheit über den
290 Ansprechpartner, eine vereinfachte Abrechnung und technisch
291 voll integrierte Gesamtangebote erlaubt.
292
293 Den Vorteilen von integrierten Geschäftsmodellen für den
294 Endkunden stehen aber auch potenzielle Bedrohungen für den
295 Wettbewerb sowie die Wahrung der Netzneutralität gegenüber.
296 Dies gilt etwa für den theoretischen Fall, dass ein
297 Netzbetreiber seine eigenen Dienste beim Zugang zu
298 Vorleistungen/Infrastrukturleistungen bevorzugen würde.[FN:
299 Dies würde zudem einen Verstoß gegen das in der zuständigen
300 Projektgruppe und im Rahmen des nationalen IT-Gipfels
301 erarbeitete Verständnis von Netzneutralität darstellen. Vgl.
302 hierzu den vierten Zwischenbericht der Enquete-Kommission
303 Internet und digitale Gesellschaft – Netzneutralität,
304 Bundestagsdrucksache 17/8536. Online abrufbar unter:
305 http://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Zwisch
306 enberichte/Zwischenbericht_Netzneutralitaet_1708536.pdf
307 sowie Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
308 (BMWi): Netzneutralität – 11 Thesen für eine
309 gesellschaftspolitische Diskussion. 2010. S. 2, These 10.
310 Online abrufbar unter:
311 http://www.it-gipfel.de/Dateien/BMWi/PDF/IT-Gipfel/it-gipfel
312 -2010-netzneutralitaet,property=pdf,bereich=itgipfel,sprache
313 =de,rwb=true.pdf] Auch aus einer bevorzugten Positionierung
314 oder gesonderten Verkaufsförderung eigener beziehungsweise
315 verbundener Dienste im Rahmen von Orientierungshilfen im
316 Netz (zum Beispiel Suchmaschinen, Benutzeroberflächen, App
317 Stores, Elektronischen Programmführern (Electronic Program
318 Guide – EPG)) können Gefahren für den Wettbewerb erwachsen.
319
320 Gegen solche Missbräuche stehen bereits heute
321 Schutzmechanismen zur Verfügung. Sie reichen von einfachen
322 Nichtdiskriminierungsauflagen oder auch konkreten
323 Zugangsansprüchen über Transparenzpflichten bis hin zu
324 einschneidenden Maßnahmen wie der Untersagung integrierter
325 Geschäftsmodelle oder gar die Aufspaltung entsprechender
326 Unternehmen. Letztere kommen aber nur als Ultima Ratio in
327 Betracht.

Vorschlag

  1. Bewerten Sie die Original- und die eingebrachten Versionen eines Papiers, indem Sie über die Pfeile Ihre Zustimmung (hoch) oder Ablehnung (runter) ausdrücken. Sie können dabei auch mehreren Versionen zustimmen oder diese ablehnen.

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  3. Sie können hier auch eine neue Version des Papiers einbringen.