Papier: 02.03.03.03.03.03 Haftung des IT-Nutzers
Originalversion
| 1 | Wie oben gezeigt,[FN: S.o. Abschnitt II.3.1.5.1.] geht die |
| 2 | größte Bedrohung für die IT-Sicherheit von konzertierten |
| 3 | Angriffen mittels Botnetzen aus. An diese Botnetze |
| 4 | angeschlossen sind oft auch private Computer, die vom |
| 5 | Betreiber des Botnetzes ferngesteuert werden, ohne dass der |
| 6 | Nutzer davon Kenntnis hat. Diesen Angriffen wäre der Boden |
| 7 | entzogen, wenn es für die Betreiber der Botnetze nicht mehr |
| 8 | möglich wäre, weitere Rechner („Bots“) zu infizieren. Eine |
| 9 | Verbesserung der IT-Sicherheit auf Seiten der Anwender |
| 10 | verspricht deshalb die allgemeine IT-Sicherheitslage zu |
| 11 | verbessern. Zu einer Haftung des IT-Nutzers kann es |
| 12 | einerseits auf vertraglicher Grundlage und andererseits |
| 13 | außervertraglich auf Grundlage des allgemeinen Deliktsrechts |
| 14 | kommen. Die juristische Debatte steht hierzu jedoch noch am |
| 15 | Anfang. Gesicherte Auffassungen dazu, welche |
| 16 | Verkehrssicherungspflichten den IT-Nutzer im Rahmen der |
| 17 | deliktischen Haftung treffen, gibt es daher noch nicht. |
| 18 | Allerdings hat sich der Bundesgerichtshof in einer |
| 19 | Entscheidung zur Haftung als Betreiber eines WLAN-Netzes |
| 20 | geäußert.[FN: Siehe unten – Fußnote 431.] |
| 21 | |
| 22 | |
| 23 | I.3.3.3.3.4.1 Vertragliche Haftung im Arbeitsverhältnis |
| 24 | Im Allgemeinen ist eine vertragliche Haftung des privaten |
| 25 | IT-Nutzers in der Regel nicht denkbar.[FN: Spindler, in: |
| 26 | Lorenz, Haftung und Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher |
| 27 | Forum 2010, S. 57.] |
| 28 | |
| 29 | Eine Ausnahme bildet hier die Haftung innerhalb eines |
| 30 | Arbeitsverhältnisses. Dieser kommt aufgrund der Tatsache, |
| 31 | dass Arbeitnehmer in vielen Branchen mittlerweile ihre |
| 32 | privaten Endgeräte auch beruflich einsetzen (Stichwort: BYOD |
| 33 | – Bring Your Own Device), eine gesteigerte Bedeutung zu. |
| 34 | Kommt es im beruflichen Rahmen zur Nutzung von Hardware oder |
| 35 | Software, die im Eigentum des Arbeitgebers steht, oder ist |
| 36 | solche auf andere Weise dem Einfluss des Arbeitnehmers |
| 37 | ausgesetzt (beispielsweise indem sie mit einem Computer oder |
| 38 | internetfähigen Handy des Arbeitnehmers vernetzt ist), sind |
| 39 | die allgemeinen Grundsätze über die Haftung von |
| 40 | Arbeitnehmern[FN: BAG GS Beschluss vom 27.09.1994 – GS 1/89; |
| 41 | NZA 1994, 1083 m.w.N.] anwendbar. Gleiches gilt, wenn durch |
| 42 | den Einsatz von privater Hard- oder Software durch den |
| 43 | Mitarbeiter dem Arbeitgeber oder einem Dritten Schäden |
| 44 | entstehen. |
| 45 | |
| 46 | |
| 47 | I.3.3.3.3.4.2 Außervertragliche Verschuldenshaftung gemäß § |
| 48 | 823 BGB |
| 49 | Hingegen ergibt sich die Möglichkeit einer |
| 50 | Verschuldenshaftung gegenüber Dritten aufgrund von § 823 |
| 51 | BGB, insbesondere dessen Absatz 1. Anknüpfungspunkt für die |
| 52 | Haftung kann beispielsweise sein, dass der Nutzer fahrlässig |
| 53 | Viren oder andere schadhafte Programme[FN: Zu den einzelnen |
| 54 | Bedrohungen und Angriffsformen oben Abschnitte II.3.1.5 und |
| 55 | II.3.1.6.] an die Endgeräte Dritter verbreitet, weil er |
| 56 | seinen Rechner nicht ausreichend gegen Angreifer geschützt |
| 57 | hat und dieser in der Folge in ein Botnetz eingebunden |
| 58 | wurde.[FN: Spindler, in: Lorenz, Haftung und Versicherung im |
| 59 | IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 57 f.] |
| 60 | |
| 61 | Das Vorliegen einer in einem solchen Fall von mittelbarer |
| 62 | Schädigung oder Schädigung durch Unterlassen für die |
| 63 | Haftungsbegründung erforderlichen Verletzung einer |
| 64 | Verkehrssicherungspflicht ist einerseits vom Einzelfall |
| 65 | abhängig, andererseits aber auch insofern problematisch, als |
| 66 | die Verkehrssicherungspflichten von IT-Nutzern im |
| 67 | Allgemeinen noch nicht abschließend geklärt sind.[FN: |
| 68 | Spindler, in: Lorenz, Haftung und Versicherung im |
| 69 | IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 58.] Während |
| 70 | IT-Hersteller, wie oben dargestellt,[FN: S.o. Kapitel |
| 71 | II.3.3.3.3, dort Absatz: Außervertragliche |
| 72 | Verschuldenshaftung nach § 823 Abs. 1I BGB.] eine |
| 73 | Verkehrssicherungspflicht aufgrund der Schaffung einer |
| 74 | Gefahrenquelle trifft, kann aber zumindest für den Nutzer |
| 75 | eines bereits kompromittierten IT-Systems (das heißt auch |
| 76 | schon eines einzelnen Rechners) eine |
| 77 | Verkehrssicherungspflicht aufgrund der Beherrschung einer |
| 78 | Gefahrenquelle angenommen werden.[FN: Spindler, in: Lorenz, |
| 79 | Haftung und Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher Forum |
| 80 | 2010, S. 58.] Er ist mithin verpflichtet, die notwendigen |
| 81 | und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung |
| 82 | anderer durch die Gefahrenquelle zu verhindern.[FN: |
| 83 | Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. |
| 84 | 24.] Diese Pflicht kann allerdings nicht so weit verstanden |
| 85 | werden, dass es eine allgemeine Fürsorgepflicht für Dritte |
| 86 | gäbe. Es bedarf stets einer konkreten Pflichtenlage zum |
| 87 | Schutz der Rechtsgüter eines Dritten, um eine |
| 88 | Verkehrssicherungspflicht annehmen zu können.[FN: Spindler, |
| 89 | in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. 227; Koch, |
| 90 | Haftung für die Weiterverbreitung von Viren durch E-Mails, |
| 91 | NJW 2004, 801, 803.] |
| 92 | |
| 93 | Zu berücksichtigen ist jedoch, dass den Geschädigten |
| 94 | aufgrund eines eigenen Versagens beim Schutz seiner IT und |
| 95 | der daraus resultierenden Infektionsanfälligkeit ein |
| 96 | Mitverschulden treffen kann, das grundsätzlich nach |
| 97 | denselben Maßstäben zu beurteilen ist wie das Verschulden |
| 98 | des Schädigers und dessen Haftungsumfang schließlich |
| 99 | abmildert.[FN: S. dazu Spindler, in: Lorenz, Haftung und |
| 100 | Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 60.] |
| 101 | Insofern stehen sich Selbst- und Fremdschutzpflichten quasi |
| 102 | spiegelbildlich gegenüber.[FN: Spindler, in: Lorenz, Haftung |
| 103 | und Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. |
| 104 | 68; Libertus, Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 105 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 106 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509.] |
| 107 | |
| 108 | Bei der Frage, welche Sorgfaltspflichten im Einzelnen an die |
| 109 | Nutzer von IT-Systemen zu stellen sind, ist grundsätzlich |
| 110 | auf die berechtigten Erwartungen der betroffenen |
| 111 | Verkehrskreise abzustellen.[FN: BGH NJW-RR 2002, 525, 526; |
| 112 | BGH NJW 1978, 1629; BGH NJW 1990, 906, 907; Spindler, in: |
| 113 | Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. 234; Libertus, |
| 114 | Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 115 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 116 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509; Koch, Haftung für die |
| 117 | Weiterverbreitung von Viren durch E-Mails, NJW 2004, 801, |
| 118 | 804.] Ob Erwartungen berechtigt sind, richtet sich |
| 119 | maßgeblich nach der technischen und wirtschaftlichen |
| 120 | Zumutbarkeit.[FN: Koch, Haftung für die Weiterverbreitung |
| 121 | von Viren durch E-Mails, NJW 2004, 801, 804; Libertus, |
| 122 | Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 123 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 124 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509; Spindler, in: |
| 125 | Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. 240.] Eine |
| 126 | grobe Unterscheidung lässt sich zudem vornehmen zwischen |
| 127 | privaten Nutzern und solchen, die IT-Systeme ihrerseits |
| 128 | professionell einsetzen. |
| 129 | |
| 130 | Verkehrssicherungspflichten privater IT-Nutzer |
| 131 | Für den Umfang der möglichen Verkehrssicherungspflichten |
| 132 | eines privaten Betreibers eines IT-Systems hat der |
| 133 | Bundesgerichtshof bisher in seiner WLAN-Entscheidung |
| 134 | grundlegende Vorgaben gemacht.[FN: BGH GRUR 2010, 633.] |
| 135 | Wendet man die dort entwickelten Grundsätze an, kann man |
| 136 | davon ausgehen, dass von Privaten verlangt werden kann, |
| 137 | solche Sicherungsmaßnahmen zu treffen, die ohne großen |
| 138 | Aufwand und nähere technische Kenntnisse aktiviert werden |
| 139 | können.[FN: Zwar war Gegenstand der zugrunde liegenden |
| 140 | BGH-Entscheidung nicht die Haftung wegen einer |
| 141 | Verkehrssicherungspflichtverletzung, sondern die Frage nach |
| 142 | der Störerhaftung, aber das Urteil lässt den Schluss zu, |
| 143 | dass diese Störerhaftung auf der Verletzung einer |
| 144 | Verkehrssicherungspflicht beruht. So auch Stang/Hühner, |
| 145 | Störerhaftung des WLAN-Inhabers, Anmerkung zu BGH, Urt. v. |
| 146 | 12.5.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens, GRUR 2010, |
| 147 | 633, 636.] Insofern werden auf jeden Fall die Aktivierung |
| 148 | von Firewalls und die Nutzung von Virenscannern verlangt |
| 149 | werden können,[FN: Siehe näher hierzu: Spindler, in: Lorenz, |
| 150 | Haftung und Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher Forum |
| 151 | 2010, S. 61; Libertus, Zivilrechtliche Haftung und |
| 152 | strafrechtliche Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter |
| 153 | Verbreitung von Computerviren, MMR 2005, 507, 509.] ebenso |
| 154 | wie das Einspielen von vom Softwarehersteller |
| 155 | bereitgestellten Patches. Von einem pauschalen Ausschluss |
| 156 | der Verkehrssicherungspflichten privater IT-Nutzer, die als |
| 157 | Sender elektronischer Kommunikation unter Umständen |
| 158 | Computerviren verbreiten, wie vereinzelt vertreten wurde, |
| 159 | kann demzufolge nicht mehr ausgegangen werden.[FN: So aber |
| 160 | Koch, Haftung für die Weiterverbreitung von Viren durch |
| 161 | E-Mails, NJW 2004, 801, 805; dagegen bereits Libertus, |
| 162 | Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 163 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 164 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509 f.] |
| 165 | |
| 166 | Verkehrssicherungspflichten professioneller IT-Nutzer |
| 167 | Professionelle Nutzer von IT-Technik, wie etwa Unternehmen, |
| 168 | sind grundsätzlich denselben Bedrohungen ausgesetzt wie |
| 169 | private Nutzer. Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich |
| 170 | jedoch daraus, dass ihnen im Hinblick auf ihre |
| 171 | Verkehrssicherungspflichten ein größeres Maß an |
| 172 | Sicherheitsvorkehrungen zugemutet werden kann. Dies ergibt |
| 173 | sich daraus, dass ein Unternehmen, das IT-Technik gezielt |
| 174 | und umfangreich zur Erledigung seiner Geschäfte einsetzt, |
| 175 | zum einen eine größere Gefahrenquelle schafft |
| 176 | beziehungsweise beherrscht, und zum anderen von ihm auch |
| 177 | technisches Know-How und finanzielle Mittel erwartet werden |
| 178 | können.[FN: Spindler, in: Lorenz, Haftung und Versicherung |
| 179 | im IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 65; Libertus, |
| 180 | Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 181 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 182 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509.] Insofern könnten sich |
| 183 | die zu erwartenden Maßnahmen u.a. auch an der Größe des |
| 184 | Unternehmens zu orientieren. Von Einfluss auf die zu |
| 185 | erwartenden Sicherheitsmaßahmen ist schließlich auch die |
| 186 | Frage, in welchem Maße das Unternehmen mit welchen |
| 187 | Rechtsgütern Dritter über seine IT-Technik in Kontakt |
| 188 | kommt.[FN: Spindler, in: Lorenz, Haftung und Versicherung im |
| 189 | IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 65; es wird darauf |
| 190 | hingewiesen, dass die Projektgruppe „Demokratie und Staat“ |
| 191 | der Enquete-Kommission sich u.a. mit der Frage einer |
| 192 | obligatorischen Verschlüsselung elektronischer Kommunikation |
| 193 | im Justiz-Bereich beschäftigt.] |
| 194 | |
| 195 | Auf der anderen Seite ist in die berechtigten Erwartungen |
| 196 | der betroffenen Verkehrskreise auch einzubeziehen, inwieweit |
| 197 | beispielsweise den Empfängern elektronischer Kommunikation |
| 198 | (E-Mails etc.) zuzumuten ist, sich selbst vor Computerviren |
| 199 | zu schützen. Auch in dieser Hinsicht ist Unternehmen mehr |
| 200 | Aufwand zuzumuten als Privatpersonen, weshalb vereinzelt |
| 201 | vertreten wurde, dass in der elektronischen |
| 202 | B2B-Kommunikation das sendende Unternehmen keine |
| 203 | Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem empfangenden |
| 204 | Unternehmen treffe, da dessen Selbstschutz vorausgesetzt |
| 205 | werden dürfe.[FN: Koch, Haftung für die Weiterverbreitung |
| 206 | von Viren durch E-Mails, NJW 2004, 801, 805.] Da in der |
| 207 | Regel aber jedes Unternehmen nicht nur Sender, sondern |
| 208 | zugleich auch Empfänger elektronischer Kommunikationsmittel |
| 209 | ist, läuft es zwangsläufig auf eine Pflicht zur Einrichtung |
| 210 | geeigneter – und gegenüber privaten Nutzern wirksamerer – |
| 211 | Schutzmittel hinaus, sei es in Form der |
| 212 | Verkehrssicherungspflicht oder in Form der Pflicht zum |
| 213 | Selbstschutz.[FN: Zu der Spiegelbildlichkeit beider |
| 214 | Pflichten s. bereits oben II.3.3.3.3, dort Abschnitt: |
| 215 | Außervertragliche Verschuldenshaftung gemäß § 823 BGB und |
| 216 | Fußtnote 427.] |
Der Text verglichen mit der Originalversion
| 1 | Wie oben gezeigt,[FN: S.o. Abschnitt II.3.1.5.1.] geht die |
| 2 | größte Bedrohung für die IT-Sicherheit von konzertierten |
| 3 | Angriffen mittels Botnetzen aus. An diese Botnetze |
| 4 | angeschlossen sind oft auch private Computer, die vom |
| 5 | Betreiber des Botnetzes ferngesteuert werden, ohne dass der |
| 6 | Nutzer davon Kenntnis hat. Diesen Angriffen wäre der Boden |
| 7 | entzogen, wenn es für die Betreiber der Botnetze nicht mehr |
| 8 | möglich wäre, weitere Rechner („Bots“) zu infizieren. Eine |
| 9 | Verbesserung der IT-Sicherheit auf Seiten der Anwender |
| 10 | verspricht deshalb die allgemeine IT-Sicherheitslage zu |
| 11 | verbessern. Zu einer Haftung des IT-Nutzers kann es |
| 12 | einerseits auf vertraglicher Grundlage und andererseits |
| 13 | außervertraglich auf Grundlage des allgemeinen Deliktsrechts |
| 14 | kommen. Die juristische Debatte steht hierzu jedoch noch am |
| 15 | Anfang. Gesicherte Auffassungen dazu, welche |
| 16 | Verkehrssicherungspflichten den IT-Nutzer im Rahmen der |
| 17 | deliktischen Haftung treffen, gibt es daher noch nicht. |
| 18 | Allerdings hat sich der Bundesgerichtshof in einer |
| 19 | Entscheidung zur Haftung als Betreiber eines WLAN-Netzes |
| 20 | geäußert.[FN: Siehe unten – Fußnote 431.] |
| 21 | |
| 22 | |
| 23 | I.3.3.3.3.4.1 Vertragliche Haftung im Arbeitsverhältnis |
| 24 | Im Allgemeinen ist eine vertragliche Haftung des privaten |
| 25 | IT-Nutzers in der Regel nicht denkbar.[FN: Spindler, in: |
| 26 | Lorenz, Haftung und Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher |
| 27 | Forum 2010, S. 57.] |
| 28 | |
| 29 | Eine Ausnahme bildet hier die Haftung innerhalb eines |
| 30 | Arbeitsverhältnisses. Dieser kommt aufgrund der Tatsache, |
| 31 | dass Arbeitnehmer in vielen Branchen mittlerweile ihre |
| 32 | privaten Endgeräte auch beruflich einsetzen (Stichwort: BYOD |
| 33 | – Bring Your Own Device), eine gesteigerte Bedeutung zu. |
| 34 | Kommt es im beruflichen Rahmen zur Nutzung von Hardware oder |
| 35 | Software, die im Eigentum des Arbeitgebers steht, oder ist |
| 36 | solche auf andere Weise dem Einfluss des Arbeitnehmers |
| 37 | ausgesetzt (beispielsweise indem sie mit einem Computer oder |
| 38 | internetfähigen Handy des Arbeitnehmers vernetzt ist), sind |
| 39 | die allgemeinen Grundsätze über die Haftung von |
| 40 | Arbeitnehmern[FN: BAG GS Beschluss vom 27.09.1994 – GS 1/89; |
| 41 | NZA 1994, 1083 m.w.N.] anwendbar. Gleiches gilt, wenn durch |
| 42 | den Einsatz von privater Hard- oder Software durch den |
| 43 | Mitarbeiter dem Arbeitgeber oder einem Dritten Schäden |
| 44 | entstehen. |
| 45 | |
| 46 | |
| 47 | I.3.3.3.3.4.2 Außervertragliche Verschuldenshaftung gemäß § |
| 48 | 823 BGB |
| 49 | Hingegen ergibt sich die Möglichkeit einer |
| 50 | Verschuldenshaftung gegenüber Dritten aufgrund von § 823 |
| 51 | BGB, insbesondere dessen Absatz 1. Anknüpfungspunkt für die |
| 52 | Haftung kann beispielsweise sein, dass der Nutzer fahrlässig |
| 53 | Viren oder andere schadhafte Programme[FN: Zu den einzelnen |
| 54 | Bedrohungen und Angriffsformen oben Abschnitte II.3.1.5 und |
| 55 | II.3.1.6.] an die Endgeräte Dritter verbreitet, weil er |
| 56 | seinen Rechner nicht ausreichend gegen Angreifer geschützt |
| 57 | hat und dieser in der Folge in ein Botnetz eingebunden |
| 58 | wurde.[FN: Spindler, in: Lorenz, Haftung und Versicherung im |
| 59 | IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 57 f.] |
| 60 | |
| 61 | Das Vorliegen einer in einem solchen Fall von mittelbarer |
| 62 | Schädigung oder Schädigung durch Unterlassen für die |
| 63 | Haftungsbegründung erforderlichen Verletzung einer |
| 64 | Verkehrssicherungspflicht ist einerseits vom Einzelfall |
| 65 | abhängig, andererseits aber auch insofern problematisch, als |
| 66 | die Verkehrssicherungspflichten von IT-Nutzern im |
| 67 | Allgemeinen noch nicht abschließend geklärt sind.[FN: |
| 68 | Spindler, in: Lorenz, Haftung und Versicherung im |
| 69 | IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 58.] Während |
| 70 | IT-Hersteller, wie oben dargestellt,[FN: S.o. Kapitel |
| 71 | II.3.3.3.3, dort Absatz: Außervertragliche |
| 72 | Verschuldenshaftung nach § 823 Abs. 1I BGB.] eine |
| 73 | Verkehrssicherungspflicht aufgrund der Schaffung einer |
| 74 | Gefahrenquelle trifft, kann aber zumindest für den Nutzer |
| 75 | eines bereits kompromittierten IT-Systems (das heißt auch |
| 76 | schon eines einzelnen Rechners) eine |
| 77 | Verkehrssicherungspflicht aufgrund der Beherrschung einer |
| 78 | Gefahrenquelle angenommen werden.[FN: Spindler, in: Lorenz, |
| 79 | Haftung und Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher Forum |
| 80 | 2010, S. 58.] Er ist mithin verpflichtet, die notwendigen |
| 81 | und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung |
| 82 | anderer durch die Gefahrenquelle zu verhindern.[FN: |
| 83 | Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. |
| 84 | 24.] Diese Pflicht kann allerdings nicht so weit verstanden |
| 85 | werden, dass es eine allgemeine Fürsorgepflicht für Dritte |
| 86 | gäbe. Es bedarf stets einer konkreten Pflichtenlage zum |
| 87 | Schutz der Rechtsgüter eines Dritten, um eine |
| 88 | Verkehrssicherungspflicht annehmen zu können.[FN: Spindler, |
| 89 | in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. 227; Koch, |
| 90 | Haftung für die Weiterverbreitung von Viren durch E-Mails, |
| 91 | NJW 2004, 801, 803.] |
| 92 | |
| 93 | Zu berücksichtigen ist jedoch, dass den Geschädigten |
| 94 | aufgrund eines eigenen Versagens beim Schutz seiner IT und |
| 95 | der daraus resultierenden Infektionsanfälligkeit ein |
| 96 | Mitverschulden treffen kann, das grundsätzlich nach |
| 97 | denselben Maßstäben zu beurteilen ist wie das Verschulden |
| 98 | des Schädigers und dessen Haftungsumfang schließlich |
| 99 | abmildert.[FN: S. dazu Spindler, in: Lorenz, Haftung und |
| 100 | Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 60.] |
| 101 | Insofern stehen sich Selbst- und Fremdschutzpflichten quasi |
| 102 | spiegelbildlich gegenüber.[FN: Spindler, in: Lorenz, Haftung |
| 103 | und Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. |
| 104 | 68; Libertus, Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 105 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 106 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509.] |
| 107 | |
| 108 | Bei der Frage, welche Sorgfaltspflichten im Einzelnen an die |
| 109 | Nutzer von IT-Systemen zu stellen sind, ist grundsätzlich |
| 110 | auf die berechtigten Erwartungen der betroffenen |
| 111 | Verkehrskreise abzustellen.[FN: BGH NJW-RR 2002, 525, 526; |
| 112 | BGH NJW 1978, 1629; BGH NJW 1990, 906, 907; Spindler, in: |
| 113 | Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. 234; Libertus, |
| 114 | Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 115 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 116 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509; Koch, Haftung für die |
| 117 | Weiterverbreitung von Viren durch E-Mails, NJW 2004, 801, |
| 118 | 804.] Ob Erwartungen berechtigt sind, richtet sich |
| 119 | maßgeblich nach der technischen und wirtschaftlichen |
| 120 | Zumutbarkeit.[FN: Koch, Haftung für die Weiterverbreitung |
| 121 | von Viren durch E-Mails, NJW 2004, 801, 804; Libertus, |
| 122 | Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 123 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 124 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509; Spindler, in: |
| 125 | Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. 240.] Eine |
| 126 | grobe Unterscheidung lässt sich zudem vornehmen zwischen |
| 127 | privaten Nutzern und solchen, die IT-Systeme ihrerseits |
| 128 | professionell einsetzen. |
| 129 | |
| 130 | Verkehrssicherungspflichten privater IT-Nutzer |
| 131 | Für den Umfang der möglichen Verkehrssicherungspflichten |
| 132 | eines privaten Betreibers eines IT-Systems hat der |
| 133 | Bundesgerichtshof bisher in seiner WLAN-Entscheidung |
| 134 | grundlegende Vorgaben gemacht.[FN: BGH GRUR 2010, 633.] |
| 135 | Wendet man die dort entwickelten Grundsätze an, kann man |
| 136 | davon ausgehen, dass von Privaten verlangt werden kann, |
| 137 | solche Sicherungsmaßnahmen zu treffen, die ohne großen |
| 138 | Aufwand und nähere technische Kenntnisse aktiviert werden |
| 139 | können.[FN: Zwar war Gegenstand der zugrunde liegenden |
| 140 | BGH-Entscheidung nicht die Haftung wegen einer |
| 141 | Verkehrssicherungspflichtverletzung, sondern die Frage nach |
| 142 | der Störerhaftung, aber das Urteil lässt den Schluss zu, |
| 143 | dass diese Störerhaftung auf der Verletzung einer |
| 144 | Verkehrssicherungspflicht beruht. So auch Stang/Hühner, |
| 145 | Störerhaftung des WLAN-Inhabers, Anmerkung zu BGH, Urt. v. |
| 146 | 12.5.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens, GRUR 2010, |
| 147 | 633, 636.] Insofern werden auf jeden Fall die Aktivierung |
| 148 | von Firewalls und die Nutzung von Virenscannern verlangt |
| 149 | werden können,[FN: Siehe näher hierzu: Spindler, in: Lorenz, |
| 150 | Haftung und Versicherung im IT-Bereich: Karlsruher Forum |
| 151 | 2010, S. 61; Libertus, Zivilrechtliche Haftung und |
| 152 | strafrechtliche Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter |
| 153 | Verbreitung von Computerviren, MMR 2005, 507, 509.] ebenso |
| 154 | wie das Einspielen von vom Softwarehersteller |
| 155 | bereitgestellten Patches. Von einem pauschalen Ausschluss |
| 156 | der Verkehrssicherungspflichten privater IT-Nutzer, die als |
| 157 | Sender elektronischer Kommunikation unter Umständen |
| 158 | Computerviren verbreiten, wie vereinzelt vertreten wurde, |
| 159 | kann demzufolge nicht mehr ausgegangen werden.[FN: So aber |
| 160 | Koch, Haftung für die Weiterverbreitung von Viren durch |
| 161 | E-Mails, NJW 2004, 801, 805; dagegen bereits Libertus, |
| 162 | Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 163 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 164 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509 f.] |
| 165 | |
| 166 | Verkehrssicherungspflichten professioneller IT-Nutzer |
| 167 | Professionelle Nutzer von IT-Technik, wie etwa Unternehmen, |
| 168 | sind grundsätzlich denselben Bedrohungen ausgesetzt wie |
| 169 | private Nutzer. Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich |
| 170 | jedoch daraus, dass ihnen im Hinblick auf ihre |
| 171 | Verkehrssicherungspflichten ein größeres Maß an |
| 172 | Sicherheitsvorkehrungen zugemutet werden kann. Dies ergibt |
| 173 | sich daraus, dass ein Unternehmen, das IT-Technik gezielt |
| 174 | und umfangreich zur Erledigung seiner Geschäfte einsetzt, |
| 175 | zum einen eine größere Gefahrenquelle schafft |
| 176 | beziehungsweise beherrscht, und zum anderen von ihm auch |
| 177 | technisches Know-How und finanzielle Mittel erwartet werden |
| 178 | können.[FN: Spindler, in: Lorenz, Haftung und Versicherung |
| 179 | im IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 65; Libertus, |
| 180 | Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche |
| 181 | Verantwortlichkeit bei unbeabsichtigter Verbreitung von |
| 182 | Computerviren, MMR 2005, 507, 509.] Insofern könnten sich |
| 183 | die zu erwartenden Maßnahmen u.a. auch an der Größe des |
| 184 | Unternehmens zu orientieren. Von Einfluss auf die zu |
| 185 | erwartenden Sicherheitsmaßahmen ist schließlich auch die |
| 186 | Frage, in welchem Maße das Unternehmen mit welchen |
| 187 | Rechtsgütern Dritter über seine IT-Technik in Kontakt |
| 188 | kommt.[FN: Spindler, in: Lorenz, Haftung und Versicherung im |
| 189 | IT-Bereich: Karlsruher Forum 2010, S. 65; es wird darauf |
| 190 | hingewiesen, dass die Projektgruppe „Demokratie und Staat“ |
| 191 | der Enquete-Kommission sich u.a. mit der Frage einer |
| 192 | obligatorischen Verschlüsselung elektronischer Kommunikation |
| 193 | im Justiz-Bereich beschäftigt.] |
| 194 | |
| 195 | Auf der anderen Seite ist in die berechtigten Erwartungen |
| 196 | der betroffenen Verkehrskreise auch einzubeziehen, inwieweit |
| 197 | beispielsweise den Empfängern elektronischer Kommunikation |
| 198 | (E-Mails etc.) zuzumuten ist, sich selbst vor Computerviren |
| 199 | zu schützen. Auch in dieser Hinsicht ist Unternehmen mehr |
| 200 | Aufwand zuzumuten als Privatpersonen, weshalb vereinzelt |
| 201 | vertreten wurde, dass in der elektronischen |
| 202 | B2B-Kommunikation das sendende Unternehmen keine |
| 203 | Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem empfangenden |
| 204 | Unternehmen treffe, da dessen Selbstschutz vorausgesetzt |
| 205 | werden dürfe.[FN: Koch, Haftung für die Weiterverbreitung |
| 206 | von Viren durch E-Mails, NJW 2004, 801, 805.] Da in der |
| 207 | Regel aber jedes Unternehmen nicht nur Sender, sondern |
| 208 | zugleich auch Empfänger elektronischer Kommunikationsmittel |
| 209 | ist, läuft es zwangsläufig auf eine Pflicht zur Einrichtung |
| 210 | geeigneter – und gegenüber privaten Nutzern wirksamerer – |
| 211 | Schutzmittel hinaus, sei es in Form der |
| 212 | Verkehrssicherungspflicht oder in Form der Pflicht zum |
| 213 | Selbstschutz.[FN: Zu der Spiegelbildlichkeit beider |
| 214 | Pflichten s. bereits oben II.3.3.3.3, dort Abschnitt: |
| 215 | Außervertragliche Verschuldenshaftung gemäß § 823 BGB und |
| 216 | Fußtnote 427.] |
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